Seit Tagen hatte ich den Wetterbericht im Blick, aber die Temperaturen, die für Verona und das kommende Wochenende vorhergesagt wurden, tummelten sich hartnäckig rund um die 40 Grad Marke. Das ließ einen wohl temperierten Aida-Abend in der Arena di Verona erwarten, denn jedenfalls bestand keine Gefahr, sich auf kalten Steinstufen zu verkühlen, während man der Opernaufführung lauschte.
Da ich diesmal in Begleitung meiner Familie reiste, hatte ich mich erstmalig für eine Unterkunft bei Airbnb entschieden. Das Angebot für Verona war unglaublich groß und vor allem preislich wesentlich interessanter als die zur Arena-Zeit überteuerten und mit Touristen überfüllten Hotels. Außerdem schien mir dies für 4 Personen die optimale Variante. Die Entscheidung fiel auf eine Wohnung, vermietet durch Elena, die nur etwa 10 Gehminuten von der Arena entfernt im noblen Bankenviertel der Stadt mit Bars und Restaurants lag und schon durch die Fotos im Internet bestach. Wenn diese Aufnahmen tatsächlich der Realität entsprachen, dann konnte bei unserem kleinen Familienausflug eigentlich nichts mehr schiefgehen. Und sie entsprachen der Wirklichkeit!
Die Wohnung war klasse. Elegant, aber dennoch behaglich eingerichtet, blitzsauber und vor allem auch großzügig genug, um dort bequem mit vier Personen Platz zu finden. Bei nahezu 40 Grad Außentemperatur war eine Klimaanlage durchaus nicht zu verachten, der in den Tagen einiges abverlangt wurde. Netterweise hatten unsere Gastgeber uns sogar noch eine Flasche venetischen Weißwein als Willkommensgruß in den Kühlschrank gestellt.
Die Arena di Verona – man hat nie genug davon
Es war viel los in diesen Tagen in Verona, was uns aber von einer kurzen kulturellen Auffrischung der Hauptsehenswürdigkeiten nicht abhielt. Die Piazza delle Erbe, der Signori-Platz, der Dom, San Zeno und der Balkon der Julia gehören ja zum Standardprogramm bei einem Besuch der Stadt. Aber darüber hinaus gibt es immer wieder Neues zu entdecken, sei es, wenn man ein wenig abseits des Touristenstroms durch die kleinen verwinkelten Gassen streunt oder am Ufer der Etsch entlang bummelt, die den Stadtkern malerisch in einer Schleife einbindet.
Eine befreundete Veroneserin hatte uns einen tollen Tipp fürs Abendessen gegeben. „Wollt ihr typisch und gut essen? Und dabei noch freundlich bedient werden und einen herrlichen Blick genießen?“ Das klang doch gar nicht schlecht. Und tatsächlich war die Trattoria Vecio Mulin am Ufer der Etsch zwar kein absoluter Geheimtipp mehr, aber dennoch eine tolle Empfehlung. Der veronesische Name des Lokals war schon Verpflichtung für die teilweise sehr traditionellen Gerichte, die keineswegs Standard waren, durchgängig geschmackvoll zubereitet und vor allem auch fürs Auge sehr gefällig angerichtet wurden. Der Service war ausgesprochen aufmerksam und der luftige Hauch, der uns am Ufer des Flusses erreichte, trug sein Übriges dazu bei, den Abend zu einem kulinarischen Erfolg werden zu lassen.
Einen Absacker gab es dann noch in der Bar „Verona“, direkt an der Piazza delle Erbe, wo sich am Abend, wenn die Touristen langsam von den Besichtigungen des Tages müde werden, die jungen Veroneser bei trendiger Musik treffen und so fast ganz unter sich sind…
Das Highlight des zweiten Abends, natürlich auch von der ganzen Reise, bildete aber ganz traditionell – wie es sich für einen Besucher während der Opernsaison gehört – die Aufführung in der Arena di Verona. Aida stand auf dem Programm und wie ich schon beim Frühstück in einer Bar von meinem Tischnachbarn erfahren hatte, sollte am Abend eine hochkarätige Besetzung auf der Bühne stehen. Das ließ die Vorfreude doch enorm steigen, zumal die Zeffirelli-Inszenierung auch ein gewaltiges und imposantes Bühnenspektakel versprach. Blieb da nur noch die Sorge, wie lange man auf seit Tagen mit 40 Grad gut aufgeheizten Steinstufen ausharren kann, ohne am Hintern langsam durchzugaren. Auch wenn die Sicht in den Sektoren C und F auf der Non-numerata-Gradinata, den nicht nummerierten Steinstufen, da seitlich zur Bühne angeordnet, nicht die gesamte Bühne umfasst, so sind die Stufen in diesem Teil der Arena di Verona doch meistens nicht ganz so dicht gedrängt besetzt und lassen ein wenig Bein- und Rückenfreiheit zu. So war es auch diesmal bei der Aufführung. Als wir um halb neun unsere Plätze einnahmen, gab es noch Freiraum auf den Stufen und bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Arena auch auf verträgliche 32 Grad „abgekühlt“. Die Temperatur der Steinstufen garantierte aber immer noch, dass man sich auf diese Weise keine Blasenentzündung zuzog.
Die Aufführung war – wie ja schon fast erwartet – ein ganz großes Erlebnis. Das Bühnenbild und die gesamte großartige Inszenierung klotzten, die großartigen Kostüme ließen einen nicht aufhören zu staunen und einmal mehr wurde klar, warum Aida als Königin der Opern in der Arena di Verona gilt. Die Solisten – allen voran eine großartige Maria José Siri als Aida – brillierten und ließen einmal mehr einen Abend in der Arena zu einem unvergesslichen Erlebnis werden.
Warum denn Verona immer nur zur Festspielzeit?
Wie oft war ich nun schon in Verona? Die Erinnerungen sind immer verbunden mit großartigen Opernerlebnissen und anstrengenden Temperaturen. Wie schön muss diese Stadt, die so besonders ist, wohl sein, wenn im Herbst die Touristenströme langsam versiegen, die Veroneser wieder fast unter sich sind, man in Restaurants nicht in zwei Sitzungen verköstigt wird und in den Bars wieder mehr italienische Laute als deutsche oder englische Wortfetzen an einen herandringen? Das sollte man doch so schnell wie möglich vor Ort überprüfen…