Eine Ayurveda-Kur? Warum nicht, dachte ich mir schon vor längerer Zeit. Aber halte ich das aus? Drei Wochen an einem Ort nur mit Yoga, Meditation und Massagen, kein Sightseeing, kein Alkohol, keine Abwechslung?
Da mir aber noch nie jemand, der eine Kur in Indien oder Sri Lanka gemacht hat, erzählt hat, dass sie ihm nicht gefallen oder gar gutgetan hat, wage ich mich dann tatsächlich an das Abenteuer. Unterstützung hole ich mir bei meiner Freundin Kerstin, die mit ihrem Unternehmen Comtour auf Indien und Sri Lanka und unter anderem auch auf Ayurveda spezialisiert ist. Sie legt mir das Ayurvedaresort Meiveda in Kerala, ca. zweieinhalb Autostunden von Cochin entfernt ans Herz. Abgesehen davon, dass sie es selbst kennt, waren auch schon einige meiner Freunde und Bekannte dort und bestärken mich in meiner Entscheidung. Als ich mich schließlich Ende Februar dazu entschließe, Weihnachten und den Jahreswechsel dort zu verbringen, ist es nur noch den guten Beziehungen von Kerstin zu verdanken, dass ich in dem kleinen Resort überhaupt noch eine Unterkunft bekomme. Aber nach diesem Vitamin-B-Stoß steht nun meiner Reise vom 17.12.-9.1.2020 nichts mehr im Wege.
Die Flugbuchung erledige ich auch schon sehr früh, bereits im Juni. Auch hier entschließe ich mich auf Fachleute zu vertrauen und ausnahmsweise nicht über das Internet zu buchen. Die Erfahrungen des letzten Jahres haben mich gelehrt, dass es durchaus sehr viel günstiger sein kann, den herkömmlichen Weg über ein Reisebüro zu nehmen. In meinem Fall waren das immerhin 200 Euro, die ich sparen kann und das obwohl ich noch eine Pro-Forma-Buchung eines Hotels in Cochin vornehmen muss, um an den günstigen Veranstalter-Tarif zu kommen. Die Hauptstrecke München – Dehli wird von der Lufthansa bedient und für den Weiterflug nach Cochin bin ich auf eine Maschine von Vistara Air gebucht, einer indischen zuverlässigen Fluggesellschaft, die mich im Vorfeld gewissenhaft über jede 5-Minuten-Flugverschiebung sogar per Telefon informiert.
Je näher der Abreisetermin kommt, umso erholungsbedürftiger werde ich. Ich bin sowas von urlaubsreif und gestresst, dass ich froh bin, diesmal keine meiner etwas anstrengenderen Rundreisen auf eigene Faust auf dem Plan zu haben. Aber so richtig will sich auch keine Urlaubsstimmung einstellen. Irgendwie ist mir das alles noch ein bisschen unheimlich. Klar weiß ich, was mich erwartet, aber ist das auch was für mich? Sind alle anderen Esoteriker? Sind da auch „normale“ Leute? Halte ich drei Wochen Ruhe und auch digitalen Entzug aus? Geht es mir damit auch wirklich besser und komme ich tatsächlich auch runter? Ich muss in meinem beruflichen Alltag, in dem ich mir wenig Auszeit gönne, feststellen, dass ich nicht jünger werde und der Akku immer schneller leer wird. Wenn es mir in der Kur gelingt, den Energiepegel wieder ganz nach oben zu bringen, dann wäre das Ziel doch schon ausgezeichnet erfüllt.
Das Visum beantrage ich als e-Visa online, wobei das Ausfüllen eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, da man in völliger Gänze ausschließen möchte, dass ich – und mit mir natürlich alle Indienreisenden – nicht doch noch irgendwo pakistanische Wurzeln versteckt haben. Daher ist die Befragung sehr umfassend und reicht hin bis zum Geburtsort der Eltern. Die Erteilung des Visums geht dafür ruckzuck und preisgünstig ist es mit ca. 25 Euro noch dazu. Schon beim Online-Check-In der Lufthansa fällt auf, dass die Visumkontrollen sehr ernst genommen werden. Das gilt auch für den Check-In in München. Die Maschine ist bis auf den letzten Platz gefüllt zu 99 % mit Indern, die auf Heimaturlaub fliegen aus aller Welt. Das wirkt sich auch drastisch auf die Gepäckfächer aus, aber da ich eh mit kleinem Gepäck reise, vor allem das Handgepäck betreffend, belastet mich das wenig. Die Stewardessen nehmen sich sogar Zeit für ein kleines Schwätzchen und wollen wissen, was mich so kurz vor Weihnachten nach Indien führt – vermutlich auch deswegen, weil ich in der Maschine wirklich eine westliche Exotin bin – und rundum, auch bei meinen indischen Sitznachbarn bricht Begeisterung für mein Vorhaben aus. Alle beneiden sie mich und die Zeit, die vor mir liegt. Das war übrigens auch schon zu Hause so. Fast aus aller Munde in meinem Freundeskreis war zu hören, dass sie auch so gerne mitkommen würden und sie es auch dringend nötig hätten so intensiv zu entspannen.
Sechs Stunden Zwischenstopp in Delhi scheinen ziemlich viel, aber nachdem man zunächst zur Immigration, dann seinen Koffer am Band abholen und ihn dann für den inländischen Anschlussflug nach Überwindung einer langen Schlange wieder aufgeben muss, geht die Zeit relativ schnell vorbei. Zwischen dem Check-In in München und dem Start des Anschlussflugs habe ich gefühlt mindestens 25 Menschen meine Bordkarte vor die Nase gehalten und von ihnen entweder ein zustimmendes Nicken oder einen Stempel erhalten. Am frühen Morgen geht es dann mit Vistara Air, die sich selbst als die beste indische Airline bezeichnet, endlich los nach Cochin. Drei Stunden Flug mit einem größeren Sitzabstand als beim Langstreckenflug mit der Lufthansa und mit Hightech-Bordprogramm, das man auf seinem eigenen Smartphone abspielen kann. Momentan bin ich allerdings für die Bollywood-Filme noch nicht besonders empfänglich. Wer weiß, wie es auf dem Rückflug ist.
In Cochin geht alles superschnell und so bin ich 10 Minuten nach der Landung bereits am Ausgang, wo der Fahrer meines Ayurveda-Resorts Meiveda auf mich wartet. Knapp drei Stunden dauert der Transfer zum Hotel, weil viel Verkehr ist. Die Fahrt stimmt auf ein wunderbares Land ein, von dem ich auf dieser Reise nicht viel mitbekommen werden. Ich habe beschlossen, keinen Ausflug zu unternehmen, denn Indien ist Indien und Ayurveda ist zwar auch Indien, aber der Aufenthalt in einem Ayurvedaresort ist für mich eine in sich geschlossene Geschichte. Es würde sich falsch anfühlen für mich, hier zu vermischen. Nach zwei Wochen ändere ich meine Meinung…
Obwohl sich in Indien auch die Welt verändert, wird doch eines immer gleich bleiben: Der chaotische Verkehr. Während bei meiner ersten Indienreise vor 20 Jahren noch die formschönen Ambassadors das Straßenbild prägten, sind sie jetzt nahezu verschwunden und moderne japanische Kleinwagen haben Einzug gehalten. Das Verkehrsverhalten irritiert nach wie vor, wenn man direkt aus Deutschland kommt und das obwohl der Fahrer bestimmt angehalten ist, „anständig“ zu fahren und den Meiveda-Gast nicht kurz nach der Landung in einen nervlichen Ausnahmezustand zu versetzen. Ausweichregeln sind für uns Europäer ein Buch mit sieben Siegeln: Aufeinander zufahren, draufhalten und im letzten Moment ausweichen. Woher man weiß, wohin jeder ausweichen muss, habe ich schon vor 20 Jahren trotz intensiver Beobachtung nicht verstanden.
Das Meiveda Ayurveda Resort liegt direkt am Meer, nur getrennt durch einen Palmenhain, inmitten eines hübsch angelegten blühenden Gartens. Die etwa 25 Gäste, die beherbergt werden können, wohnen entweder in kleinen Bungalows, bei denen sich zwei Parteien je ein Häuschen teilen, oder in Keralahäusern mit Wohneinheiten ebenerdig oder im ersten Stock. Ich habe eine zwei-Raum-Unterkunft mit einer kleinen Veranda. Von meiner Liege aus habe ich durch die Palmen hindurch Blick aufs Meer. Allein der Ausblick auf den Garten, die Palmen und das Meer ist schon Balsam für mein gestresstes Gemüt. Die gesamte Anlage mutet wirklich paradiesisch an.
Gleich nach der Ankunft – zur Begrüßung gibt es Kokosmilch und einen Blumenkranz um den Hals – erzählt ein Mitarbeiter in dem offenen Rezeptionspavillon den neu angereisten Gästen – mit mir sind noch drei weitere Neulinge angekommen – ein bisschen was über das Resort. Unterstützt wird die Auskunft noch durch eine ausführliche Broschüre, die auch über das Thema Ayurveda erste Informationen gibt.
Doktor Nischa, die Ayurvedaärztin und derzeit auch Interimsmanagerin des Resorts, begleitet mich zu meinem Zimmer, zeigt zuvor noch das Restaurant und erläutert beim Rooming alles Wissenswerte. Ich bin mit ihr um 14 Uhr nach dem Lunch verabredet zur ersten Konsultation. Zunächst steht aber die erste Mahlzeit auf dem Plan. Es gibt jeden Tag zu allen Mahlzeiten Buffet mit den verschiedensten ayurvedischen Spezialitäten, dazu eine Kanne Tee gemäß dem später von der Ärztin konstatierten Dosha. Eine große Wasserflasche, die man sich beliebig oft im Restaurant befüllen kann, steht gefüllt bei Anreise auf dem Zimmer.
Im Restaurant sind große Tische, aber auch 2-er Tische eingedeckt. Ich brauche erst einmal meine Ruhe und ziehe einen Tisch allein vor, um die Szenerie auf mich wirken zu lassen.
Zum ärztlichen Termin werde ich abgeholt. Doktor Nischa, eine bildschöne Inderin, füllt gewissenhaft einen Arztbogen für mich aus und erkundigt sich nach meinen Anliegen, Beschwerden und Krankheiten. Eigentlich fehlt mir ja nichts, abgesehen von einer kleinen Entzündung in der Elle und meiner Gestresstheit, aber wenn ich dann so genau überlege, dann gibt es doch einiges was man erzählen kann…
Die Konsultation dauert etwa 30 Minuten, danach bekomme ich sofort eine etwa 90 minütige Ayurvedische Vollmassage. Was für eine Wohltat für mich, dass ich einfach mal eine Massage genießen kann, ohne mir zu überlegen, wie ich sie hinterher bei meinem Auditbericht bewerte. Meine etwa 40-jährige Masseurin ist fürsorglich, nimmt mich an der Hand und bringt mich zu einem der Massageräume, die wie kleine Häuschen nebeneinander aufgereiht sind. Meine Masseurin, deren Namen ich mir beim besten Willen trotz mehrfachen Wiederholens nicht einmal zehn Sekunden merken kann, ist nicht gerade zimperlich. Aber ich erinnere mich jetzt, dass ich im Vorfeld schon gewarnt wurde, dass eine indische Ayurveda-Massage nichts mit diesen Wohlfühlmassagen zu tun hat, wie ich sie häufig von Ayurveda-Therapeuten in meinen Wellnesshotels her kenne, in denen ich beruflich zu tun habe. Vor allem liegt es aber daran, dass meine Masseurin ausgesprochen treffsicher sofort alle Schmerzpunkte bei mir identifiziert und bearbeitet. Ihr entgeht keine einzige verklebte Faszie. Nach der Massage gibt es noch ein Peeling. Die Therapeutin hilft beim Duschen, was beim ersten Mal etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber man muss sich einfach drauf einlassen. Es ist ihr Job und sie macht es professionell und liebevoll. Sie möchte mir auch die Haare waschen, was aber an unserer unterschiedlichen Größe scheitert und so übernehme ich das selbst. Nach der Dusche bekommt man seinen Kimono ausgehändigt, mit dem man in den nächsten Tagen dann zu den Anwendungen erscheinen soll. Abschließend gibt es auf dem Kopf, der Stirn und am Brustbein noch eine Salbung und die Masseurin entlässt einen in den Tag.
Ich bin total müde aufgrund der ausgefallenen Nacht, möchte aber auf keinen Fall schlafen, um mir den Jetlag zu ersparen. Daher gehe ich um 17 Uhr zur täglich stattfindenden Meditation. Außer mir sind nur drei andere Gäste anwesend, was mich etwas wundert, da ich dachte, dass es zum Pflichtprogramm aller Kurgäste gehört. Da ich Probleme habe, in die Meditation zu finden, werde ich dem Ganzen zwar am übernächsten Tag noch eine Chance geben, aber ich bin auch am Überlegen, ob ich nicht auf meine eigenen Meditationen zurückgreife, dich ich bei meinem Achtsamkeitsseminar vor ein paar Jahren erlebt habe.
Abendessen ist zwischen 18.30 Uhr und 20.30 Uhr. Man bleibt nicht so lange sitzen, aber das Essen ist lecker und mir gefällt es ohne Konversation einfach für mich zu sein. Kenne ich ja kaum. Zuhause ist immer Programm, entweder beruflich oder privat. Vielleicht ändere ich auch hier meine Meinung noch, aber für den Moment ist es bestens so.
Im Laufe des Nachmittags hat mir eine junge Inderin meine Medizin aufs Zimmer gebracht. Ich weiß zwar nicht, was es ist, aber es schmeckt nicht besonders gut und wird daher schon für irgendwas heilsam sein. Es ist für eine gute Verdauung – kann nie schaden nach dem langen Flug – und gegen die Entzündung im Arm, wie mir Doktor Nischa am nächsten Tag verrät.
Beim Abendessen wird auch der Therapieplan für den nächsten Tag verkündet. Ich bin für 9.00 Uhr zur Massage eingeteilt, was sehr schade ist, weil ich damit das Yoga für Anfänger, das täglich um 8.30 Uhr beginnt, versäume.
Ich schlafe wie ein Baby bis um sieben am Morgen. So kann es bleiben. 10 Stunden Schlaf sind nicht übel für mich.
Am nächsten Morgen beginnt die Routine: Frühstück mit Porridge und frischen Früchten. Auf den Rest verzichte ich, da ich ja auch ein bisschen abspecken möchte. Danach ärztliche Konsultation, bei der ich anmerke, dass ich lieber später mit der Massage beginnen würde, da ich gerne beim Beginner-Yoga mit dabei wäre. Anschließend beginnt die 2-stündige Massage in gleicher Manier wie am Vortag. Es ist angenehm, dass die Englischkenntnisse meiner Behandlerin eingeschränkt sind, sodass man sich voll auf die Massage konzentrieren kann. Sie merkt immer sofort, ob ich Schmerzen habe und der Druck zu hoch ist. Die nötige Kommunikation funktioniert einwandfrei. Sie versucht auch mir ein paar Worte Hindi beizubringen, aber ich bin ein hoffnungsloser Fall, vielleicht weigert sich aber auch die Festplatte in meinem Gehirn momentan irgendetwas aufzunehmen, da sie gefühlt daheim kurz vor dem Crash stand.
Die Tage plätschern so vor sich hin. Eine herrliche noch nie gekannte Routine scheint einzusetzen. Wie oft hatte ich mir das für zu Hause schon gewünscht.
Das Beginner-Yoga findet direkt vor meinem Kerala-Haus in der Wiese statt, da die Yogahalle derzeit nach einem Brand erst wieder neu aufgebaut werden muss. Den Erklärungen unseres Yoga-Lehrers kann man nach dem zweiten Mal, wenn man sich eingehört hat, gut folgen, aber ich merke deutlich, wie verkürzt und steif bei mir alles ist. Andere Yoga-Anfänger erklären mir aber, dass sich in drei Wochen sehr viel bezüglich der Beweglichkeit tut. Das lässt hoffen.
Wie sieht der Tag aus? Frühstück mit frischen Früchten. Das Angebot ist weitaus reichhaltiger, aber auf Kohlehydrate will ich auch bei der Morgenmahlzeit weitestgehend verzichten. Danach – je nach Zeitplan der Massage – Yoga, dann Nichtstun, dazwischen Massage und Essen. Die Behandlungen dauern immer zwei Stunden und so sind wir entweder um 9 Uhr, um 11.30 Uhr oder um 14.30 Uhr eingeteilt. Wenige Minuten vor diesen Terminen sieht man eine kleine Schar an Menschen, in ihre bunten Kimono-Gewänder gehüllt, die allen aufgrund der Farben eine gewisse Ähnlichkeit mit buddhistischen Mönchen verleihen, zum Wartebereich vor den Massagekabinen pilgern. Dort wird man dann von seiner Therapeutin abgeholt und zu Dr. Nischa begleitet, die sich nach dem Wohlbefinden erkundigt und festlegt, welche Massage nun vorgesehen ist. Braucht man spezielle Medikamente, notiert sie dies, und sie werden am Abend mit dem üblichen Trunk für allgemeines Wohlbefinden von zwei jungen Massageschülerinnen ausgeteilt.
Inzwischen ist die Gästeschar fast komplett, die auch über Weihnachten und Neujahr da sein wird. Bei nur 23 Gästen lernt man sich schnell kennen, auch wenn die Berührungspunkte insgesamt relativ gering sind. Jeder braucht viel Zeit für sich und nimmt sie sich auch.
Ich habe beim Mittag- und Abendessen meinen Platz bei einer kleinen Familie aus Hamburg gefunden. Sohn, Schwiegertochter und Mutter – eine recht unterhaltsame Gesellschaft, in der auch angeregte Gespräche geführt werden können.
Das Essen ist nach wie vor sehr abwechslungsreich, auch wenn das Diätessen eher einfallslos ist. Aber ich habe beschlossen, dass ich lieber wenig von den anderen Gerichten esse, aber mir somit ein bisschen Abwechslung garantiere und mich nicht ausschließlich auf das Diätessen beschränke. Wasser und Tee holen wir uns bei jeder Mahlzeit in Flaschen und Thermoskannen im Restaurant ab. Zu dem Mahlzeiten wird jedem Gast ein Kännchen Tee gemäß seines Doshas serviert.
Beim Mittagessen finden sich alle zwanglos je nach Behandlungszeit im Restaurantpavillon zusammen. Alle nutzen vor den Mahlzeiten noch einen kurzen Abstecher in dem Rezeptionspavillon, der direkt neben dem Restaurant liegt, weil das der einzige Platz im Resort ist, wo es Wifi gibt, nicht besonders stark und stabil, aber ausreichend, um hin und wieder per Whatsapp zu telefonieren, seine Mails abzurufen und die eine oder andere Zeitung downzuloaden.
Wer Lust hat, schlendert zum nahen Strand, den man durch einen zur Anlage gehörenden gepflegten und schön bepflanzten Fußweg und durch einen Palmenhain erreicht. Acht Liegestühle sind dort für uns aufgestellt und ein fürsorglicher Lifeguard hat ein Auge auf all die, die in die Fluten springen. Man kann endlos in beide Richtungen spazieren, auch wenn das aufgrund der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit eigentlich nur am Morgen und am Abend richtig Spaß macht. Hin und wieder trifft man dabei auf Fischer oder Jugendliche, die am Strand spielen, aber alle blicken freundlich und allenfalls neugierig auf uns Touristen.
Der Therapieplan, den einem Frau Doktor nach etwa drei Tagen aushändigt wird konsequent befolgt. Man startet mit einer Ayurvedischen Ganzkörper- inklusive Kopfmassage. Am zweiten Tag folgt eine therapeutische Ganzkörpermassage und danach für drei Tage eine Pudermassage. Zwei Therapeutinnen massieren synchron mit Gelbwurzelpulver, was die Gewichtsreduktion fördert und Cellulitis verringert. Danach findet noch eine Inhalation und eine Reinigung der Nase statt. Die nächsten drei Tage ist für mich Kizhi vorgesehen, eine Kräuterstempelmassage, die ebenfalls synchron durchgeführt wird. Die Stempel werden aus frischen Kräutern in der Umgebung hergestellt und helfen gegen Schmerzen und Entzündungen und fördern die Muskulatur. Bei alldem sollte man sich immer wieder vor Augen halten, dass es sich hierbei nicht um Wohlfühlmassagen handelt, sondern dass bei den ausgezeichneten Therapeuten auch kräftig zugelangt wird. Meine Faszien können ein Lied davon singen, auch meine diversen blauen Flecken, die sich aber bei mir ganz leicht einstellen.
Am Heilig Abend lassen sich die Mitarbeiter viel für uns einfallen, um uns ein schönes Weihnachten zu bescheren: Aperitif mit Kokosmilch um 18.30 Uhr. Danach werden Vorspeise und Suppe serviert. Anschließend findet im Rezeptionspavillon eine klassische Tanzveranstaltung mit hochrangigen Tänzern statt. Doktor Nisha führt durch das Programm und erläutert die Geschichten, die durch die Tänze erzählt werden. Wir sind alle restlos von der Darbietung begeistert, vor allem durch das Minenspiel, das die Tänzer zeigen. Danach geht es mit dem Weihnachtsdinner weiter, bei dem sich der Koch noch mehr ins Zeug legt als sonst. Dazwischen tanzt noch der Weihnachtsmann ein bisschen durch die Menge. Der kulturelle Genuss steht dem beim klassischen Tanz etwas nach und zeitweise haben wir fast Angst, dass der Weihnachtsmann gleich zu strippen anfängt. Aber wir sind ja schließlich im prüden Indien und daher ist die Gefahr gering. Offensichtlich handelt es sich halt eher um eine abgewandelte Version unseres honorigen Weihnachtsmanns, den wir von zu Hause her kennen.
Am 9. Tag meines Aufenthalts startet der Reinigungsprozess. Bei den Gästen, die kürzer da sind, findet er schon zwei oder drei Tage früher statt. An diesem Cleansing-Day fällt das Frühstück aus. Stattdessen muss ich unter Aufsicht ein kleines Glas Ghee, indisches Butterschmalz, trinken und anschließend dann jede halbe Stunden ein Glas Ingwerwasser. Zu Mittag gibt es nur Reissuppe und am Abend wieder leichte Kost. An diesem Tag darf man kein Yoga und keine anderweitige körperliche Anstrengung machen. Es gibt auch nur eine kurze Fußmassage als heutiges Treatment.
Der Tag danach verläuft ganz normal bezüglich Essen und Massage. Allerdings ist nach der Massage noch ein Dampfbad angesagt, das für mich etwas unglücklich verläuft. Man wird in eine Holzkiste auf einen Hocker gesetzt. Der Kopf ragt durch eine Öffnung ins Freie. Wenn alles verschlossen ist, wird bedampft. Das Ganze ist nicht besonders bequem, da ich auf dem kleinen Hocker sitzend nicht so recht weiß, wohin mit den Beinen. Es wird mir auch schnell am Unterschenkel zu heiß, weil da genau die Bedampfung hin abzielt. Ich bitte meine Therapeutin den Dampf zu reduzieren und nach gefühlten 10 Minuten auch, das gesamte Dampfbad zu stoppen. Die Ärztin hatte mir zuvor schon gesagt, dass ich es beenden soll, wenn es mir zu viel wird. Gefühlt habe ich 20 Liter und hoffentlich auch wie gewünscht jede Menge Giftstoffe ausgeschwitzt. Als meine Therapeutin die Holzkiste vorsichtig öffnet, merke ich noch, dass mir schlecht wird und komme zusammengefaltet in dem Zuber liegend erst wieder zu mir, als mich eine zutiefst erschrockene Therapeutin sorgenvoll auf die Wange tätschelt. Sie holt sofort die Ärztin und in der Zwischenzeit wundere ich mich, wie ich mich in diesen winzigen Abstand zwischen Hocker und Holzkiste schichten konnte. Das funktionierte wohl nach dem Ölsardinenprinzip. Gut geölt bin ich in den schmalen Zwischenraum hineingeflutscht, in den ich nach Augenmaß in ungeöltem nicht ohnmächtigen Zustand niemals gepasst hätte.
Beide Ärztinnen sind nun besorgt zu Stelle, aber nach 10 Minuten erhole ich mich langsam wieder und auch mein Kreislauf offensichtlich, denn bei der nächsten Messung ist alles schon wieder auf „normal“. Ich habe inzwischen den Eindruck, dass eher meine Therapeutin einen Arzt benötigt, denn der Schreck steht ihr immer noch im Gesicht geschrieben.
Am dritten Tag des Reinigungsprozesses trinkt man um 6.30 Uhr am Morgen einen Drink, der auch wieder aus Ghee besteht, aber diesmal noch mit Kräutern „verfeinert“ wird. Wieder keine Bewegung an dem Tag und Reissuppe zum Mittagessen. Dazwischen Unmengen von heißem Wasser – wieder ein Glas jede halbe Stunde. Alle, die vor mir ihren sogenannten „Purgation-Day“ hatten, haben natürlich von ihren Erfahrungen berichtet. Aber bei mir tut sich bis 10.30 Uhr erst einmal gar nichts. Dann kommt langsam Bewegung in die Sache. Aber alles sehr viel angenehmer als es vielleicht der eine oder andere vom Vorfeld einer Darmspiegelung in Deutschland her kennt.
Die Tagesabläufe werden zur Routine, was auch gut ist. Die einzige Überraschung bietet beim Abendessen der Restaurantchef, der dann seine Runde dreht und einem die Zeit für den morgigen Behandlungstermin mitteilt. Aber auch das verläuft ohne große Abwechslung. Ich bin fast immer um 11.30 Uhr dran, was mir gut taugt, denn dann kann ich am Morgen zum Yoga und hab den Nachmittag frei.
Silvester wird noch einmal zum Highlight. Das Programm ähnelt dem von Weihnachten: Zunächst Kokosnussmilch als Apertif hübsch in der Nuss präsentiert, dann die Vorspeise und Suppe. Danach werden wir wieder zu einer klassischen Tanz-Vorführung geladen, die ausgesprochen toll ist. Die Tänzer sind international ausgezeichnet und verzaubern und mit ihrer Mimik und Gestik. Im Anschluss daran gibt es das Silvesterbuffet, bei dem sich der Koch nochmal mehr ins Zeug gelegt hat, als sonst. Jetzt ist es erst 21.30 Uhr und eigentlich für uns alle höchste Zeit fürs Bett, aber wir müssen ja noch durchhalten. Nun bietet das Hotelpersonal Programm: Zunächst versucht sich der Yogalehrer als Gitarrist. Ich weiß bis zum Schluss seiner drei Darbietungen nicht, ob er das ernst meint oder uns nur zum Lachen bringen will. Danach singt eine der Ärztinnen und abschließend machen die ganz jungen Therapeutinnen eine Tanzvorführung. Danach ist Tanz für alle. Total schön ist, dass fast alle Angestellten da sind, zum Teil mit Angehörigen und zum Teil ohne. Sie dürfen auch mit uns essen wie schon an Heilig Abend, bzw. nach uns, weil das Restaurant zu wenig Plätze für alle hat. Aber bei der Feier danach mischt sich alles und um Mitternacht nehmen sich alle herzlich in den Arm, um die besten Wünsche für 2020 zu vermitteln. Ein kleines Feuerwerk rundet den Abend ab. Bis zuletzt haben die Optimisten unter uns noch auf ein Glas Sekt um Mitternacht zum Anstoßen gehofft, aber dies bleibt ganz gemäß dem Ayurvedischen Gedanken eine Illusion.
Drei meiner Mitkurenden, die mir mittlerweile zum Teil sehr ans Herz gewachsen sind, erkundigen sich, ob ich bei ihrer mitternächtlichen Zeremonie mitmachen möchte und mit ihnen meine Laster und schlechten Eigenschaften verbrennen und loslassen möchte. Sie organisieren sich vom Koch einen feuerfesten Topf, legen ihn mit Stroh aus und wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen im Garten. Dort wird nun, illuminiert mit Kerze und Räucherstäbchen, die Schale in Brand gesetzt und wir werfen nach und nach unsere Zettelchen in die Flammen. Am nächsten Morgen versenken wir die Asche im Meer. Man fühlt sich erstaunlich leicht danach…
Nach zwei Wochen bin ich ziemlich erholt und fange auch an, ein bisschen mit der Routine zu hadern. Ging ja lange gut mit mir. Daher bin ich ausgesprochen glücklich, dass mich ein paar meiner Mitkurenden fragen, ob ich Lust auf einen Ausflug nach Althera und Chavakkad habe. Mit zwei TukTuks brechen wir zu unserem Shopping-Ausflug auf. Beide Orte sind nicht spektakulär, bieten aber ein paar Straßenszenerien und ein paar Geschäfte zum Stöbern. Ich kann gelassen sein, da ich nichts suche und nichts brauche. Die meisten Klamotten in diesen Geschäften sind eher billig und bei uns in Deutschland kaum tragbar. Am schönsten ist die Fahrt mit dem TukTuk. Zum einen bekommt man dabei frische Luft und einen kühlen Luftzug und zum anderen kann man das Landleben richtig in sich aufnehmen.
Zwei Tage später unternehme ich noch einmal einen Ausflug nach Thrissur mit meiner italienischen Nachbarin. Ganz nach ihrer Natur hat sie ein Händchen für etwas hochwertigere Stoffe. Und die wollen wir im Fab India finden, einem Laden, der indische Mode in westlichem Stil anbietet. Wir fahren dazu ins große Einkaufszentrum Soba und werden auch fündig. Fab India hat noch einen zweiten Shop in Thrissur, der sogar etwas größer ist und mehr Auswahl bietet, aber wir ziehen die gut klimatisierte Shopping Mall vor. Danach bitten wir unseren Fahrer noch, einen Abstecher zum berühmten Hindutempel der Stadt zu machen, der für Andersgläubige zwar nicht zugänglich ist, aber dennoch auch von außen einen schönen Anblick und eine unterhaltsame Tanzvorführung nebenan offeriert. Ingesamt genieße ich den Nachmittag sehr, der neben ein bisschen Abwechslung in netter und kurzweiliger italienischer Gesellschaft auch ein paar Stunden in angenehmer Klimatisierung bietet, wenn man die Air Condition unseres Taxis mitrechnet.
Ich habe vor, die letzten Tage auch nochmal für den Strand zu nutzen. So richtig passen Ayurveda und Meer eigentlich nicht zusammen, aber dennoch ist es eine schöne Abwechslung am Nachmittag für eine Stunde an den Strand zu gehen. Die Spaziergänge sind vor allem am Morgen dort wunderbar. Und an den Sonntagen ist dann auch richtig was los. Da kommen viele Familien an den Strand und gehen spazieren und die Kinder schwimmen oder spielen Ball. Fast immer kommen sie auch mit einem ins Gespräch, falls die Kinder ein bisschen englisch in der Schule gelernt haben.
Außerdem beschließen meine italienische Nachbarin und ich auch mal zu Fuß die Umgebung unseres Resorts zu erkunden. Man kann auf den Seitenstraßen gut laufen und kommt an schönen Villen von Dubai-Gastarbeitern, winzigen Geschäften und freundlichen Leuten vorbei. Immer wieder stoßen wir auf neugierige Schulkinder, die uns nach dem Namen fragen. Leider erschöpfen sich deren Englischkenntnisse schnell und so beschränkt sich die Unterhaltung oft auf den Austausch unserer Namen.
Der letzte vollständige Tag bricht an und damit steht auch die letzte der 21 Behandlungen auf dem Plan. Zum Abschluss gibt es noch eine Kopf- und eine allgemeine Körpermassage, sowie eine Gesichtsmaske, nachdem ich jetzt zwei Tage lang zuvor nach der Massage einen wohltuenden Stirnguss „Sirodhara“ genossen hatte. Am Nachmittag folgt dann das Abschlussgespräch mit der Ärztin, die mir noch einmal die Behandlungen erläutert und mir ayurvedische Medizin verordnet und vorbereiten lässt.
Meinen Flug-Check-In kann ich bei Vistara Air schon 48 Stunden im Voraus absolvieren. Den Flug ab Delhi mit Lufthansa kann ich erst am Abreisetag klar machen. Am Ende geht dann alles ganz schnell. Um 14 Uhr werde ich zum Flughafen transferiert mit einem ausreichenden Puffer, um die Maschine um 20 Uhr sicher zu erreichen. Hätten wir im Vorfeld gewusst, dass ein Generalstreik aufgrund des umstrittenen neuen Einwanderungsgesetz stattfindet, hätte auch eine Stunde später mehr als ausgereicht. Die Straßen sind menschenleer, da alle öffentlichen Verkehrsmittel bestreikt werden. Die Gelegenheit ist daher für meinen Fahrer günstig endlich einmal auszuprobieren, wie schnell man fahren kann. Wir schaffen die Strecke in 90 Minuten. Ich warte gerne eine Stunde länger am Flughafen. Alles ist besser als eine weitere Stunde mit dem aggressiven Taxifahrer durch Südindien zu rasen. Natürlich bin ich jetzt viel zu früh und der Check-In Schalter ist noch nicht geöffnet, aber an Generalstreiktagen kann man so etwas verkraften. Der Rückflug verläuft unspektakulär über Delhi und wir landen eine halbe Stunde früher als geplant in München. Einziger kleinerer Zwischenfall ist eine sehr lange Wartezeit an der Immigration in Delhi, aber ich habe genügend Transferzeit, sodas dies auch kein Problem darstellt.
Alles in Allem war es eine wunderbare Erfahrung diese Kur zu machen und ich fühle mich sehr erholt. Meine kleinen Wehwehchen bin ich nicht ganz los, dafür aber vier Kilo und mein Blutdruck ist deutlich gesenkt. Fazit: Wenn man einfach nur sich erholen, etwas Gutes für die Gesundheit tun und in einem wunderbaren Resort wohnen möchte, dann ist man im Meiveda genau richtig. Wenn man sich gesundheitlich mehr Hilfe verspricht, dann gibt es wohl noch bessere Ayurvedaärzte in anderen Resorts laut einiger meiner mitkurenden Gäste. Aber auch im Meiveda haben einige Gäste sensationelle Erfolge erzielt. Die Heilungsgeschichten durch Ayurveda, die auch aus anderen Resorts von schweren Krankheiten zu hören sind, sind wirklich unglaublich. Ich werde definitiv wieder eine Kur machen, aber dann nur noch zwei Wochen und dann vielleicht auch eher mit einem Freund oder einer Freundin zusammen.
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