Eigentlich wollte ich ja eher nach Liverpool und nicht nach Manchester. Warum, weiß ich nicht so genau. Jedenfalls nicht wegen der Beatles, beziehungsweise nicht nur. Aber nachdem mir dann Freunde erzählt hatten, dass Manchester sich so klasse in den letzten Jahren entwickelt hat, machte Manchester das Rennen. Die Stadt ist unglaublich!
Mit dem Zug geht es günstig vom Flughafen in 20 Minuten direkt in die Stadt für ca. 4 Pfund pro Person – davon abhängig, wann und womit man fährt. Der Nahverkehr ist in England häufig ein Buch mit sieben Siegeln aufgrund des Tarif- und Transportfirmendschungels, aber nachdem überall hilfsbereites Personal zur Stelle ist, ist diese Hürde leicht zu bewältigen. Wir hatten uns beim Übernachtungsquartier für das Motel One Royal Exchange entschieden – eine perfekte Wahl: Gerade mal zwei Jahre alt, sehr guter Preis und Bestlage. Nicht sehr britisch zugegeben, aber dafür für uns optimal.
Der erste Tag in Manchester war wettertechnisch eine Herausforderung, aber es gibt in der Stadt unglaublich viel Interessantes und Besuchenswertes – und vieles davon wettergeschützt – dass dem Sightseeing dadurch kein Einhalt geboten wird. Die nächsten Tage hingegen begeisterten uns nicht nur der Flair der Stadt und die Sehenswürdigkeiten, sondern auch das Wetter. Wir konnten es kaum fassen: Sonne! Damit machte Manchester gleich nochmal so viel Spaß.
Es gibt so unglaublich viel zu sehen und uns haben fünf Tage nicht ausgereicht, um die Stadt annähernd zu erleben: Kultur, Pubs, Szene, Shoppen, Industriegeschichte, coole und supernette Leute, und und und…
Die John Rylands Library, die in Form einer Kathedrale erbaute viktorianische Bibliothek, verfügt über die wertvollsten Manuskripte ganz Englands. Was für eine Kulisse! Das war unser erstes kulturelles Erlebnis, dem noch viele folgen sollten. Eine ähnliche Atmosphäre findet man auch in der Chetham´s Library, wo Marx und Engels unzählige Stunden verbracht haben, um die Welt zu verändern. Die Bücher, die sie maßgeblich beeinflusst haben, finden sich heute noch in der ältesten Leihbibliothek der englischsprachigen Welt. Zur vollen Stunde bieten Volunteers von Montag bis Freitag kostenlose, sehr aufschlussreiche Führungen durch das historische Gemäuer an.
Castlefield gehört zu den stimmungsvollsten Vierteln der Stadt: Kanäle mit bunten Hausbooten, alte Eisenbahnviadukte und dazwischen gechillte Restaurants und Bars, in denen man in hübsch arrangierten Außenbereichen die Sonne und ein Pint genießen kann. Wenn man mit der Tram noch ein Stück weiter hinaus fährt, erreicht man Manchesters Harbour City. Der alte Hafen, der die Stadt einst zur drittgrößten Hafenstadt Englands machte, wurde in den 1990er Jahren wiederbelebt, indem sich dort Museen, Hotels, Theater, Restaurants und nicht zuletzt 2011 die BBC ansiedelten. Allein die moderne und teils gewagte Architektur ist den kurzweiligen Ausflug an den Stadtrand wert.
Die staatlichen Museen in England sind, bis auf Sonderausstellungen, meist kostenlos, was dazu verleitet, mehr davon zu besuchen, weil sich einfach auch ein kurzer Aufenthalt lohnt. Besonders erwähnenswert ist dabei das Museum of Science and Industry, das die bewegte Geschichte der Industrialisierung Manchesters in Bezug auf die für die Stadt so wichtige Textilindustrie darstellt. Aber auch die Bedeutung der Metropole in anderen wissenschaftlichen und technischen Bereichen kommt dabei deutlich zur Geltung.
Besonders begeisterten uns auch andere kulturelle Einrichtungen, wie zum Beispiel das Royal Exchange Theater, das in die alte Börse hineingebaut wurde oder das Northern Quarter, das Kreativ- und Ausgehviertel der Stadt, wo sich Kneipen, schräge Boutiquen und diverse Musikschuppen aneinander reihen.
Dabei stellen ein traditioneller Pubbesuch mit dem klassischen Pubfood und einem randvoll eingeschenkten Pint mindestens genauso ein absolutes Must-Do dar, wie ein entspannter Shopping-Bummel durch die inspirierenden Geschäfte von Manchester.
Die Stadt hat sich in den letzten Jahren enorm verändert – von einer wenig attraktiven Industriestadt zu einer interessanten und aufregenden Metropole. Den Anstoß für diesen Wandel hat 1996 ein sehr tragischer Umstand gegeben, als die Innenstadt von Manchester durch eine Bombe der IRA zu einem großen Teil in Trümmern gelegt wurde und innerhalb von 70 Minuten 80.000 Menschen aus dem Stadtzentrum evakuiert werden mussten. Dieses Ereignis wurde als Chance gesehen, sich neu zu erfinden und einen heute noch anhaltenden Aufschwung einzuleiten.