Allgemein, Asien, Europa, Georgien, Reisen
Kommentare 2

GEORGIEN

Kloster Ananuri in Georgien

Vor vielen Jahren hatte ich „Durch den wilden Kaukasus“ von Fritz Pleitgen gelesen und seither hatten mich seine Geschichten über die grandiosen Landschaften und Kulturen, die uralten Traditionen und die Menschen mit ihrer Gastfreundschaft nicht mehr losgelassen. Aber es sollten noch Jahre vergehen, bis ich den Plan in diese Region und nach Georgien zu reisen, in die Realität umsetzen konnte.

Mit Reisekultouren nach Georgien

So kam die Anfrage von Dr. Birgit Bornemeier vom Studienreiseveranstalter Reisekultouren mehr als gelegen, sie in den Kaukasus zu begleiten, da sie ein neues Reiseziel in ihr Programm aufnehmen wollte und schon lange über Georgien nachgedacht hatte. Wie bei allen anderen Reisen auch, wollte sie sich selbst vor Ort erst ein Bild von der Situation machen, um dann die für ihre Gäste geeignete Route zusammenzustellen. Mich bat sie um meine fachliche Unterstützung bei der Reiseplanung und in Bezug auf die Beurteilung der Qualität der Unterkünfte vor Ort. In Zusammenarbeit mit der Agentur Arcus Tours Georgien hatte Frau Bornemeier ein ambitioniertes Programm für die nächsten Tage ausgearbeitet. Natürlich galt es, alle möglichen interessanten Besichtigungspunkte in unser Programm einzubauen, um am Ende der Reise die Entscheidung für die Höhepunkte und Besonderheiten treffen zu können. Daneben standen aber, wie es sich bei einer gut organisierten Vortour gehört, auch jede Menge Hotelbesichtigungen auf dem Zeitplan, da die Hotelqualität in Georgien noch sehr unterschiedlich ist und es einer gezielten Überprüfung vor Ort bedarf, um den Standard der deutschen Gäste zu erfüllen. Der Dritte in unserem Bunde, Jens Hausmann, ebenfalls Mitarbeiter von Reisekultouren, ist für die Fotos zuständig, die den Georgien-Interessenten dieses wunderbare Reiseland in Form von Fotos zunächst näher bringen und zu einer Reise inspirieren sollen.

Unsere kleine „Reisegruppe“ trifft am Flughafen Istanbul Sabiha Gokcen aufeinander. Wir haben uns aufgrund der Tagesflugzeiten für einen Flug mit Turkish Airlines entschieden, damit allerdings auch den Umstieg in Sabiha in Kauf genommen. Direktflüge von Deutschland nach Georgien gibt es nur ab München mit Lufthansa, allerdings mitten in der Nacht, ähnlich verhält es sich mit anderen Fluggesellschaften.

Tbilisi – die grüne Stadt

Als wir mit einer kleinen Verspätung in Tiflis, oder wie die Georgier sagen, in Tbilisi, am späteren Abend ankommen, erwartet uns bereits Khatuna, die Leiterin der georgischen Agentur Arcus Tours Georgien, die Frau Bornemeier für die Zusammenarbeit in Georgien im Vorfeld ausgewählt hatte, in der Ankunftshalle. Sympathisch begrüßt sie uns und begleitete uns zu unserem Hotel in Tiflis, das etwa 20 Minuten Fahrzeit vom Flughafen entfernt liegt. Das Hotel Laerton hat eine wunderbare Dachterrasse, auf der auch das Frühstück eingenommen werden kann. Der Ausblick ist fantastisch, denn Tiflis liegt in einem grünen Talkessel und erinnert von der Lage her an Innsbruck – vielleicht sind die beiden Städte auch deswegen Partnerstädte. Der erste Eindruck von der georgischen Hauptstadt ist toll, auch wenn uns für die Erkundung zunächst keine Zeit bleibt, denn auf unserem Programm steht heute die Region Kachetien, die man über den Gombori Gebirgszug erreicht. Kachetien ist die meist besuchte Region in Georgien und liegt an den Südhängen des Großen Kaukasus. Obwohl das Gebiet schwach besiedelt und die Infrastruktur ausbaufähig ist, stellt es auf Grund der vielen Sehenswürdigkeiten und der Dichte an Weingütern eine hohe Anziehung für kultur-, natur- und kulinarisch interessierte Touristen dar. Bei der Fahrt über den Gebirgszug, der bis auf 2.000 m ansteigt, tun sich immer wieder herrliche Ausblicke auf eine unglaublich grüne Landschaft auf, die wir so nicht erwartet hatten.

Kloster Alawerdi

Kloster Alawerdi

Die Weinregion Kachetien in Ost-Georgien genießen

Der erste kurze Stopp erfolgt am Iqalto-Kloster und der Akademie von Iqalto. Danach geht es weiter nach Alawerdi, dem religiösen Zentrum Kachetiens. Der imposante Komplex überrascht vor allem durch seine Ausmaße und durch seine Lage in der Ebene. Die 56 m hohe orthodoxe Georgs-Kathedrale hat in ganz Georgien eine herausragende Bedeutung. Da sich in dieser Gegend die kulturellen Highlights wirklich ballen, sind es nur wenige Kilometer bis zu einer weiteren interessanten Sehenswürdigkeit, nämlich der Wehrkirche Gremi, die seit 2007 UNESCO Weltkulturerbe ist. Die Festungsanlage thront weithin sichtbar auf einem Felsen und wurde erst vor Kurzem gründlich restauriert.

Kultur macht hungrig. Khatuna kennt direkt neben dem Hügel von Gremi ein kleines Kaffee, wo wir im Garten unsere Mittagspause einlegen. Auf ihre Empfehlung hin verkosten wir das georgische Käsebrot, eine Art Fladenbrot gefüllt mit Schafskäse. Warm gemacht, ist es eine leckere und sättigende Imbissvariante. Dazu gibt es einen köstlichen Tomaten-Gurken-Salat, der bei keiner georgischen Mahlzeit in den nächsten Tagen fehlen wird.

Georgien versteht sich als die Wiege des Weinanbaus. Wein wird hier schon seit 6000 Jahren kultiviert. Die Georgier behaupten sogar, dass das Wort „Wein“ aus ihrer Sprache stammt. „Den Wein hat Gott der Menschheit als Entschädigung für die Vertreibung aus dem Paradies geschenkt“ da sind sich die tiefgläubigen Georgier sicher. Gerade die Region Kachetien gilt als eine der besten Weinregionen des Landes. Seit 2013 steht die traditionelle Art der Weinherstellung auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Der Wein gärt in Tongefäßen, den Kwewris, die in die Erde eingelassen werden und bis zu 3.500 Liter fassen können. Die Farbe des traditionell ausgebauten Weißweins ist meist goldgelb bis orange. Bei einer Verkostung im Weingut Schuchmann kommen wir zum ersten Mal in den Genuss eines traditionellen georgischen Weins, der sich geschmacklich deutlich von der europäischen Ausbauvariante unterscheidet. Burkhard Schuchmann, ein deutscher Kaufmann hat das Weingut im Jahr 2008 erworben und bis 2010 10 Mio. Euro investiert. Er baut seine Weine, sowohl auf die europäische Art, wie auch auf die traditionelle georgische Art aus. Aber auch viele andere kleinere Weingüter lohnen einen Besuch – und eine Verkostung wird bei den gastfreundlichen Georgiern immer gerne offeriert.

Im Weinkeller von Schuchmann

Im Weinkeller von Schuchmann

Der Landsitz des Fürsten Alexander Tschavtschavadze befindet sich etwa 10 km östlich von Telawi in einem gepflegten englischen Landschaftsgarten. Eine Museumsführerin erklärt uns in perfektem Deutsch das interessante Leben des Fürsten, der der Patensohn von Katharina der Großen war, weist auf bedeutende Möbelstücke hin und überlässt uns dann uns selbst in einer Ausstellung von zeitgenössischen Malern in einer kleinen Galerie des Landsitzes, die uns völlig überrascht und begeistert.

Auf Wein aus Kachetien in ganz anderer Form, als er uns im Weingut Schuchmann präsentiert wurde, treffen wir im Weinhaus Nunu Kardenachlischwili. Nunus Familie hatte ein Nachbargrundstück gekauft, auf dem sich eine Scheune befand. Vier Löcher, deren Bestimmung man zunächst nicht kannte, waren hier in den Boden eingelassen und man hatte sie für die Müllentsorgung zweckentfremdet. Als man die Löcher in wochenlanger Arbeit vom Müll befreite, kam ein Weinkeller aus dem 17. Jahrhundert zum Vorschein. Heute dekorieren den Keller unzählige georgische Gegenstände, wie z.B. Weinkrüge, die vermutlich 2.700 Jahre alt sind. Die dort gezeigte Antiquitätensammlung ist eindrucksvoll und interessant, aber vor allem auch der Wein, der immer noch direkt vor den Augen der Gäste aus den im Boden eingelassenen Amphoren entnommen wird, ist bemerkenswert.

Kurz vor der Schließung des Klosters erreichen wir dann Bodbe, eine der heiligsten Stätten Georgiens. Hier liegt die Heilige Nino, die Nationalheilige Georgiens begraben. Nino war eine Missionarin und Heilerin, die die Bekehrung der Georgier zum Christentum einleitete. Die Georgische Orthodoxe Kirche stellt sie den Aposteln gleich und nennt sie die „Erleuchterin Georgiens“. Das Kloster, das in einem, von den dort noch lebenden Schwestern, gepflegten Garten liegt, wirkt schlicht, aber vermutlich gerade deswegen besonders beeindruckend.

Unsere letzte Station in Kachetien bildet der Ort Signagi. Nach der Fahrt durch ärmliche Dörfer und menschenleere Landstriche erinnert es an einen adretten Schweizer Kurort. Fast mediterraner Flair einer italienischen Kleinstadt schlägt einem entgegen. Nur die verschneiten Gipfel des Hohen Kaukasus in der Ferne widersprechen diesem Eindruck. Das Zentrum der Stadt wurde 2007 generalsaniert – in dieser Form einmalig in ganz Georgien, da es sich um ein Vorzeigeprojekt der damaligen georgischen Regierung handelte. In netten Cafés und Restaurants kann man rund um den Hauptplatz sitzen und das neu entstandene Idyll genießen.

Es ist spät, als wir an dem Abend nach Tiflis zurück kehren, aber die vielen Restaurants, in denen man die sommerliche Abendluft genießen kann, laden zum Ausgehen ein. Die Stadt ist quirlig, voller jungem Leben und auch voller Gegensätze, die in Tiflis nur wenige Schritte voneinander entfernt liegen. Auf der einen Seite die vor allem am Abend in beeindruckendem Lichtdesign erstrahlende futuristische Friedensbrücke, auf der anderen Seite die jahrhundertealten, unterirdischen Schwefelbäder, deren halbkugelförmigen Kuppeln aus dem Boden ragen.

Tiflis bei Nacht

Tiflis bei Nacht

Leider bleibt bei unserer beruflich motivierten Reise nur wenig Zeit für Tiflis, das uns als interessante Stadt mit vielen attraktiven Plätzen, besuchenswerten Museen, geschichtsträchtigen Thermen und herrlichen Aussichtspunkten völlig überrascht. Ein Grund mehr, Tiflis bei einem späteren Besuch mehr Aufmerksamkeit einzuräumen. Nach der Besichtigung von Hotels in der Innenstadt, geht es über das Rustaweli-Boulevard, die Flaniermeile von Tiflis, zum Georgischen Nationalmuseum, wo vor allem die Schatzkammer mit eindrucksvollen Goldschmiedearbeiten und die interessante Abteilung der sowjetischen Okkupation einen Besuch lohnen.

Sweti-Zchoweli Kirche

Sweti-Zchoweli Kirche

Wir verlassen Tiflis und statten im nahen Mzcheta noch der Sweti-Zchoweli Kirche und der von überall in der Umgebung sichtbaren Dshwari-Kirche, die ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, einen Besuch ab.

Sweti-Zchoweli-Kirche

Sweti-Zchoweli-Kirche

Hinein in den wilden Kaukasus

Anschließend geht es zur Festung Ananuri, die einem am Ufer des Stausees von Shinwali ins Auge fällt. Wieder einmal ist es hier nicht nur die Architektur, die beeindruckt, sondern auch die einzigartige Lage und Kulisse, die das Bauwerk umgibt. Und kaum hat man die betriebsame Hauptstadt ein paar Kilometer hinter sich gelassen, verändert sich auch das georgische Leben: Man trifft unterwegs auf große Schafherden, die von ihren Hirten zu Fuß und per Pferd über die Weiden getrieben werden. Immer gut bewacht von einem Rudel Kaukasischer Hirtenhunde, die die widerspenstigen Tiere in Zaum halten. Schafherden und frei grasende Kühe gehören genauso zum Straßenbild, wie tollkühne georgische Autofahrer. Diese Konstellation lässt den kurzzeitig auftauchenden Gedanken, dieses Land doch auch gut allein mit dem PKW bereisen zu können, umgehend abwegig oder wenigstens nur für Hasardeure interessant erscheinen.

Festung Ananuri

Festung Ananuri

Von Ananuri folgt nun eine landschaftlich unglaubliche Fahrt hinein in den Kaukasus über den Skiort Gauderi bis nach Stephantsminda, etwa 12 Kilometer vor der russischen Grenze. Einen Teil der Strecke legen wir dabei auf der oft beschriebenen Georgischen Heerstraße zurück, die an der Grenze zur autonomen Region Südossetien verläuft. Seit sich Südossetien – Nordossetien gehört immer noch zu Russland – 1990 unabhängig erklärt hatte, kam es immer wieder zu Ausschreitungen, deren Höhepunkt 2008 der 5-Tage-Krieg bildete. Südossetien ist, genau wie Abchasien, das ebenfalls ein Teil von Georgien ist, derzeit für Touristen nicht zugänglich. Wer die Heerstraße befährt, stellt sich immer wieder die Frage, unter welchen Anstrengungen diese Meisterleistung der Straßenbaukunst wohl bewerkstelligt wurde. Nicht zuletzt waren auch deutsche Kriegsgefangene nach dem 2. Weltkrieg am weiteren Ausbau dieser Straße beteiligt. Ein deutscher Soldatenfriedhof am Kreuzpass erinnert immer noch an diesen traurigen Abschnitt der Geschichte. Die Georgische Heerstraße bildete die Grundlage für literarische Werke, Ideenaustausch und nicht zuletzt ist sie für die Georgier die Anbindung an Russland. Noch heute bildet die Straße eine wichtige Transitstrecke für den Handel zwischen dem Iran, Armenien, Georgien und Russland. Der Weg windet sich bis auf 2.379 Metern hinauf bis zur Passhöhe, die den niedrigsten Übergang über den Großen Kaukasus darstellt. Das Panorama mit den Gipfeln des Kaukasus ist unbeschreiblich.

Landschaft im Kaukasus

Landschaft im Kaukasus

In Stephantsminda, dem ehemaligen Kasbegi, angekommen, hat man das Gefühl, wirklich mitten im Kaukasus zu sein. So stellt man sich die Menschen dort vor: Markante Gesichter, hager und mit einem ungezähmten Pferd unterwegs. Den einen oder anderen kann man tatsächlich so im Dorf beobachten. Spontan kommt mir immer wieder das Buch von Fritz Pleitgen „Durch den wilden Kaukasus“ in den Sinn, das mich für diese Region schon vor vielen Jahren mit den darin enthaltenen Erzählungen und Beschreibungen begeisterte. Jetzt bin ich also wirklich hier. Von Stephantsminda geht es mit einem Jeep etwa 45 Minuten auf einer Fahrpiste mit tiefen Schlaglöchern den Berg hinauf zur Gergeti-Kirche, der Dreifaltigkeitskirche auf 2.200 m Höhe, sicherlich einem der Höhepunkte der Reise. Wer mehr Zeit hat, sollte sich auf jeden Fall zu Fuß bei einer Halbtagswanderung auf den Weg hinauf zu dem immer noch von Mönchen bewohnten Kloster machen. Zum Einen ist die langsame Annäherung eine beeindruckende Erfahrung und zum anderen schont man seine Bandscheibe, wenn man die Auffahrt mit den Allradfahrzeugen umgeht. Der Blick ist einzigartig, die Sonne kommt genau im richtigen Moment und so gelingen uns Fotos, die schöner als in manch einem Reiseführer sind. Leider lässt sich der Kasbek an dem Tag nicht sehen. Für viele Bergsteiger hat dieses Bergmassiv eine ganz besondere Anziehung. Der Kasbek ist der dritthöchste Berg Georgiens und der achthöchste im Kaukasus. Der Sage nach soll der Kasbek jener Berg der griechischen Mythologie sein, an den Prometheus gekettet wurde, weil er den Göttern das Licht stahl.

Gergeti-Kirche

Gergeti-Kirche

Nach dieser beeindruckenden Exkursion steht noch die Besichtigung vom Rooms Hotel in Stephantsminda auf dem Hotel. Ein tolles Hotel mit Lodgecharakter und einem herrlichen Blick auf die Gergeti-Kirche und den Kasbek. Man möchte eigentlich gar nicht mehr weg von der dem Bergmassiv zugewandten Terrasse. Wie schön könnte es jetzt sein, mit einem Aperitif in der Hand, diesen abendlichen Blick zu genießen? Allerdings sind die Hotels in Georgien keine Schnäppchen. Wer jedoch kostengünstig reisen möchte, kann dies auch in Guesthouses tun, die häufig zwar einfach sind, aber dennoch solide geführt werden. Bewertungen zu diesen Häusern, die inzwischen auch schon vermehrt eine Internetseite haben, findet man auf Tripadvisor.

Wir übernachten in Gudauri im Hotel Marco Polo an diesem Tag auf 2.000 m, eines der Wintersportzentren Georgiens, das um diese Jahreszeit ein wenig an Val Thorens oder Zürs im Sommer erinnert. Hier gibt es viele Hotels, Skilifte und eine Bergstation auf über 3.000 Metern Höhe. Im Sommer ist es eher beschaulich hier, nur Touristen, unterwegs auf der Georgischen Heerstraße, nutzen die Infrastruktur für einen Übernachtungsstopp. Gudauri sollte einst sowjetischer Olympiastützpunkt werden, was dann aber nach dem Zerfall der Sowjetunion natürlich nicht mehr weiter verfolgt wurde. Inzwischen haben aber die Österreicher in den Ort investiert und sich an Hotels und Bergbahnen beteiligt.

Klöster, Höhlenstädte und ein Besuch in Stalins Heimat

Kühl ist es in diesen Höhen und so freuen wir uns, dass wir wieder hinab in wärmere Gefilde kommen. Nach einem Halt am Kloster Samtavisi erreichen wir Gori, die Geburtsstadt von Stalin. In Georgien wird Stalin immer noch verehrt und seine Kriegsverbrechen werden von so manchem einfach negiert. Dem berühmten Sohn der Stadt ist ein großes Museum, das es allerdings an Objektivität vermissen lässt, gewidmet. Außerdem kann im Park des Museums der Eisenbahnwagon, mit dem Stalin zu reisen pflegte, besichtigt werden. Sein Geburtshaus, das winzig ist und lediglich aus zwei Zimmern besteht, wurde kurzerhand überbaut und kann ebenfalls in dem Museumspark von außen besichtigt werden.

Stalins Eisenbahnwagon

Stalins Eisenbahnwagon

Wenige Kilometer entfernt, befindet sich die Höhlenstadt Uplisziche, die „Festung Gottes“, die größtenteils aus dem 16.-15. Jahrhundert v.Chr. stammt und zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Georgiens zählt. Uplisziche entwickelte sich zu einem Handelszentrum an der Seidenstraße mit rund 5.000 Einwohnern. Auf dem höchsten Punkt erhebt sich die Fürstenkirche aus dem 10. Jahrhundert, deren Inneres mit Fresken bemalt ist. Das größte Gebäude der Anlage ist Tamaris Darbasi, eine große Felsenhalle mit zwei gewaltigen Säulen. Die Wohnhäuser sind in den weichen Fels geschlagen, hatten Säulen und gewölbte Dächer. Es gab ein Amphitheater, eine Apotheke, eine Bäckerei, Lagerhäuser, ein Gefängnis und einen Markt. Ein in die Felswand gegrabener Tunnel, der ursprünglich der Wasserversorgung der Einwohner diente, ist heute der Zugang zum Plateau.

Uplisziche

Uplisziche

Nun nehmen wir Kurs auf Kutaisi auf. Auch heute ist die Landschaft wieder spektakulär – anders als am Vortag auf dem Weg zum Kreuzpass. Heute, wenn wir von Ostgeorgien nach Westgeorgien wechseln, erreichen wir damit auch eine andere Klimazone, in der eher subtropisch-feuchtes Klima herrscht. Die Gegend ist gebirgig, grün, Flüsse begleiten uns, gepflegte Dörfer liegen rechts und links der Straße – es sieht lieblicher aus als auf der Georgischen Heerstraße, idyllisch, wohltuend fürs Auge. Ach, ist dieses Georgien doch unglaublich schön! Am Straßenrand verkaufen Händler Hängematten, Tongefäße oder leckeres frisch gebackenes Rosinenbrot. Auch Obst in allen Variationen bieten sie zum Verkauf. Bei einem Rundum-Blick hat man gerade so ein bisschen das Gefühl, im Paradies gelandet zu sein.

UNESCO-Weltkulturerbe in Georgien

In Kutaisi wollen wir die Klosteranlage von Gelati, die UNESCO Weltkulturerbe ist, besichtigen. Die Straßen dorthin, obwohl es nur 9 Kilometer außerhalb von Kutaisi liegt, stellt aufgrund von Pflasterarbeiten eine Herausforderung dar. Aber unserem Fahrer Barumi, der nun schon seit fast vier Tagen unseren Van steuert, gelingt es auch diesmal souverän, uns ans Ziel zu bringen. Die Anstrengung hat sich gelohnt. Gelati ist eine malerische Anlage auf dem Berg, die aus drei Kirchen und einer Akademie besteht. Wie so oft in den Klosteranlagen beobachtet, bieten auch die orthodoxen Priester dort einen faszinierenden Anblick, wenn sie mit ihren Rauschebärten beten oder sich miteinander oder mit den Gläubigen unterhalten. Anschließend geht es zurück nach Kutaisi, wo wir noch die Bagrati Kirche besichtigten, die eigentlich eine Ruine war, aber mit neuen Elementen geschickt renoviert wurde und daher derzeit riskiert, den UNESCO-Weltkulturerbe-Status zu verlieren.

Gelati-Kloster

Gelati-Kloster

Wir übernachten im Hotel Bagrati, das aus einem alten und neuen Teil besteht. Alles wirkt noch ein wenig sozialistisch, aber durchaus angenehm. Auch das Personal ist ausgesprochen freundlich und bemüht sich mit geringen Englischkenntnissen, die Gäste vollkommen zufrieden zu stellen. Das Haus hat eine wunderbare Dachterrasse, von der man einen herrlichen Blick auf Kutaisi genießen kann. Bei angenehmen 28 Grad am Abend lässt es sich dort wunderbar aushalten.

Kuren in Georgien

Die nächste Station unserer Reise ist Borjomi, ein traditionsreichen Kurort, schon in der zaristischen Zeit. Das Mineralwasser von Borjomi ist legendär und hilft gegen alles – leider schmeckt es auch so, wie grässliche Medizin, aber wenn es hilft, dann kann man das schon mal lauwarm zu sich nehmen. Borjomi ist auf jeden Fall mit seinem gepflegten Kurpark einen Besuch wert. Zusammen mit dem nahegelegenen Kur- und Wintersportort Bakuriani hatte sich Borjomi um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2014 beworben, aber der Zuschlag ging damals an Sotschi. In der waldreichen Umgebung von Borjomi wurde 1838 eine Tannenart erstmals erwähnt, die nach ihrem Entdecker Alexander von Nordmann benannt wurde und in Europa eine große Karriere als Weihnachtsbaum machte.

Vardzia

Vardzia

Nach der Besichtigung des eleganten, über der Stadt gelegenen Borjomi Palace Hotels, liegt eine längere Fahrtstrecke zur Höhlenstadt Vardzia vor uns, einem weiteren Höhepunkt der Georgienreise. Hoch über einen Fluss gelegen, ragt eine rund 500 Meter hohe Steilwand auf, die auf einer Länge von mehreren hundert Metern von Höhlen durchlöchert ist. Die Baumeister nutzten Vor- und Rücksprünge für die Anlage tiefer Höhlen, die durch Tunnel, Treppen, Terrassen und Galerien miteinander verbunden sind. Bis ins 13. Jahrhundert waren diese Höhlen komplett vom Fels verborgen, doch ein Erdbeben zerstörte einen großen Teil der Höhlen und legte Vardzia – bis dahin eine verborgene Stadt – frei. Ursprünglich 20.000 Säle, auf bis zu dreizehn Stockwerken verteilt, boten einst Platz für 50.000 Menschen. Man muss einfach beeindruckt sein, von Vardzias Größe. Da die Zeit drängt und wir am Abend an der georgisch-armenischen Grenze erwartet werden, brechen wir auf, obwohl man noch stundenlang durch die Felssäle steigen könnte und immer wieder Neues entdeckt. Unterwegs machen wir noch einen Fotostopp an der Chertwisi-Festung, die ein malerisches Fotomotiv abgibt.

Festung Chertwisi

Festung Chertwisi

Die Landschaft wir zunehmend karger, je weiter wir uns der georgisch-armenischen Grenze auf dem Kleinen Kaukasus bei Brava auf 2.000 Meter Höhe nähern und kurz bevor wir Georgien in Richtung Armenien verlassen, gilt es Resümee zu ziehen.
Ein georgisches Sprichwort sagt: „Es ist besser etwas einmal zu sehen als zehnmal darüber zu hören“. Dies hat in meinem Fall für Georgien definitiv zugetroffen. Nahezu dramatisch schön kann man die Landschaft, die sich permanent wechselnd, bietet, wohl am besten beschreiben. Obwohl die Gipfel des Kaukasus alles in den Schatten stellen, sind es dennoch auch die grünen Täler, riesigen Weiden und idyllischen Flusstälern, die in ihrer Sanftheit einen beeindruckenden Kontrast bilden. Das jahrtausendealte Kulturland beherbergt unter anderem im 4. Jh. entstanden erste, mit Fresken ausgeschmückte Kirchen und Klöster. Viele davon sind heute Weltkulturerbe. Wo man hinsieht, entdeckt man bauliche Zeugen einer großen Geschichte, die geprägt wurde von einer wechselhaften Vergangenheit. In kaum einem anderen Land ist die natürliche Schönheit des Landes und seine spannende Geschichte zwischen Orient und christlichem Abendland in so intensiv spürbar wie in Georgien.

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*