Wie kommt man denn auf Sofia und gibt es dort überhaupt etwas zu sehen? Tja, so genau wussten wir das auch nicht. Schuld war eigentlich Ryanair, die die bulgarische Hauptstadt von Memmingen aus anfliegt. Und beim Durchscrollen der Reiseziele auf der Homepage stieß ich auf Sofia. Ich war noch nie in Bulgarien – das einzige Reiseland in Europa, das mir auf meiner Länderliste noch fehlte. Meine Freundin Annegret war sofort mit dabei.
Für 34 Euro nach Sofia
Der Flug kostete hin- und zurück gerade mal 34 Euro. Beim Gepäck schlägt die Billigairline ja bekanntlich nochmal richtig zu und so flogen wir für 34 Euro und unsere Taschen für je 50 Euro. Aber im November bei winterlichen Temperaturen nur mit Handgepäck zu reisen, war uns dann doch ein wenig zu basic.
Die Flugzeit dauert bequeme zwei Stunden – die übersteht man auch mit Ryanair problemlos. Und in Sofia geht auch alles ganz flott, da der Flughafen so überschaubar ist. Gepäckband, Passkontrolle – nach 15 Minuten ist man schon mit allem durch. Etwas länger dauert es dann, Geld am einzigen Geldautomaten im Terminal 1 abzuheben. Die Schlange war beachtlich. Bulgarien ist ja zwar seit 2008 in der EU, aber verfügt noch über eine eigenen Währung, den Lev, der so ziemlich genau 50 Cent ausmacht. In Ermangelung eines Sofia-Stadtführers war unsere Vorbereitung auf die Stadt nicht besonders gewissenhaft gewesen, sondern beschränkte sich auf die Recherche auf diversen Blogs im Internet, wie z.B. viel-unterwegs.de und back-packer.org. Sucht man im Buchhandel etwas über die Stadt, wird man lediglich in verschiedenen Gesamt-Bulgarien-Führer fündig, die der Hauptstadt meist nur wenige Seiten widmen.
Irgendwo hatte ich gelesen, dass man sehr einfach mit der Metro vom Flughafen in die Stadt gelangen sollte. Und da wir eine sehr zentrale Unterkunft über Airbnb gebucht hatten, die nur drei Gehminuten von der U-Bahn Station Lavov Most entfernt lag, schien uns das die beste Variante. Allerdings gestaltete sich dieses Vorhaben schwierig, da am Flughafen keinerlei Beschilderung auf eine Metro hinwies. Also trat Plan B in Kraft und wir fragten einen der zahlreichen Taxifahrer nach den Kosten für eine Fahrt in die Innenstadt. 15 Lev schätzte er, gerade mal ca. 7,50 Euro wollte er für die etwa neun Kilometer lange Fahrt in die Innenstadt.
Mit Ivanina unserer Vermieterin hatte ich vereinbart, dass ich sie per Whatsapp kontaktierte, sobald wir am Flughafen losfuhren. Aufgrund des Berufsverkehrs am Freitagabend dauerte es nun eine gute Weile, da wir nur sehr zögerlich vorwärts kamen. Unser Taxifahrer, mit dem man sich prima auf Spanisch unterhalten konnte, da er dort einige Jahre gelebt hatte, testete zwar jeden Schleichweg, aber es dauerte. Obwohl es schon dunkel war, konnte man dennoch ganz gut erkennen, wie stark die Peripherie der Millionenstadt noch osteuropäisch mit Plattenbauten und unbeleuchteten Straßenzügen geprägt ist.
Ivanina erwartete uns vor dem Appartement, zeigte uns alles und gab noch ein paar Tipps, nachdem wir Empfehlungen fürs Abendessen bei ihr nachfragten. Die Wohnung war zweckmäßig, sauber und relativ modern eingerichtet. Mit 108 Euro für die drei Nächte hatten wir hier ein tolles Preis-Leistungsverhältnis bekommen. Vor allem weil wir wirklich super zentral in einer Seitengasse logierten.
Der Hunger trieb uns sofort wieder auf die Straße. Nach einem kleinen Bummel entlang der Knyaz Maria-Luiza stellten wir fest, dass es an der Hauptstraße keine Restaurants nach unserem Gusto gab, bzw. nur Schnellimbisse. Also streiften wir durch die etwas abgelegeneren Seitengassen und wurden hin und wieder fündig, allerdings waren diese Lokale alle voll besetzt. Freitagabend schien man auszugehen. Irgendwann stießen wir dann durch Zufall auf das Happy Bar & Grill, das uns Ivanina auch empfohlen hatte.
Sofia bietet jede Menge Restaurants, Bars und Cafés…
Das Lokal erfreute sich so regem Zuspruch, dass sich während unseres gesamten Abendessens permanent eine Schlange im Lokal hielt, die auf einen freien Tisch wartete. Wir hatten Glück und bekamen einen. Die Speisekarte war so vielfältig, dass wir erst einmal fast erschlagen waren von dem Angebot. Aber schließlich wurden wir fündig, aßen und tranken ausgezeichnet und hatten somit unseren ersten Sofia-Abend in einem der angesagtesten Lokale der Stadt für die junge Mittelschicht verbracht.
… und jede Menge Kirchen
Am zweiten Tag stand natürlich Sightseeing auf dem Programm. Sie Sehenswürdigkeiten der Stadt liegen alle eng beieinander, sodass man getrost zu Fuß losmarschieren kann. Aber erst galt es ein Frühstückslokal zu finden. Da die Markthallen der Stadt auf unserem Weg lagen und wir schon am Vorabend einen Blick hinein geworfen hatten, versuchten wir dort erst einmal unser Glück. Die Halle erinnert ein wenig an die Markthalle von Budapest, allerdings sind die Frühstücksmöglichkeiten in der von Sofia begrenzt. Also zogen wir weiter und wurden in einer Kaffeebar fündig, wo uns ein derart deftiges Frühstück mit Käsetoast und Ei serviert wurde, dass wir nicht annähernd die Hälfte davon essen konnten. So ein bisschen erinnerte diese Kostform an das alte Ost-Credo: Fett und Viel.
Die Sehenswürdigkeiten von Sofia sind sehr kirchenlastig. Aber auf uns üben diese orthodoxen Kirchen einfach eine gewisse Faszination aus. Wir fingen mit der Kathedrade „Sweta Nedelja“ an, deren Interieur mit den Fresken und Ikonenmalereien sehr beeindruckend ist. Nur wenige Schritte davon entfernt befindet sich die Rotunde „Sweti Georgi“, ein herausragendes Beispiel für die byzantinische Kreuzkuppelarchitektur. Danach wollten wir noch einen Abstecher in das ehemalige Sheraton machen, um mal nachzusehen, wie das ehemalige erste Haus am Platz heute aussieht. Zwar weist es noch den Charme eines alten Grandhotels auf, aber so einladend, dass wir dort an der Bar am Abend einen Drink nehmen wollten, war es dann doch nicht.
Wer das Zentrum gerne bei einer Führung erkunden möchte, kann an einer geführten Tour der Organisation Free Sofia Tour teilnehmen, die von Studenten täglich zwei Mal, um 11.00 Uhr und um 18.00 Uhr angeboten werden. Die Führung dauert etwa zwei Stunden und startet jeweils am Justizpalast, am Vitosha Bulevard. Der Rundgang ist kostenlos, aber die studentischen Führer freuen sich über ein Trinkgeld.
Sofias imposanteste Sehenswürdigkeit
Vorbei an weiteren Kirchen, diversen Ministerien und Museen, die allesamt imposant monumentale Fassaden aufweisen, erreichten wir die Hauptsehenswürdigkeit von Sofia die „Sweti-Alexander-Newski-Kathedrale“.
Wenn man irgendwo Fotos von Sofia sieht, fehlt dieses beeindruckende Gotteshaus grundsätzlich nie. Die Kirche bietet 5.000 Gläubigen Platz und ist damit die zweitgrößte orthodoxe Kathedrale auf dem Balkan. Und sie ist auch innen sehenswert. Fotografieren darf man nur, wenn man sich eine – für bulgarische Verhältnisse – sehr teure Fotolizenz für 10 Lev kauft. Emsige Hilfspopen überwachen dies.
Einer von denen – ein wenig wirr mit seiner langen Mähne aussehend – hatte wohl einen Narren an mir gefressen und verfolgte mich durch die ganze Kirche, indem er mindestens fünf mal meine Genehmigung sehen wollte. Als ich mich dann langsam ein wenig verärgert zeigte, dass er sich offensichtlich partout nicht daran erinnerte, dass er mich vor zwei Minuten erst kontrolliert hatte, gab er mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich die Lizenz zwischen dem vierten und kleinen Finger meiner rechten Hand eingeklemmt tragen musste. Wie man dann noch fotografieren soll, hat er mir allerdings nicht erklärt.
Danach bummelten wir durch die Fußgängerzone von Sofia, das Vitosha Bulevard. Zum Einkaufen sind die Geschäfte dort eher nicht unser Fall, es sei denn man steht auf internationale Billigketten oder den osteuropäischen Glitzerchic. Aber die Straße ist zurecht das Pracht-Boulevard der Stadt mit Cafés und modernen Lokalen, die allesamt auch überdachte Außenbestuhlung bieten, sodass man auch im November noch draußen sitzen kann. Wie schön muss diese so grüne Stadt im Frühling und Sommer sein, wenn die Parks, die es in großer Vielzahl in Sofia gibt, wieder belebt sind und anfangen zu grünen, wenn die Gipfel des stadtnahen Vitosha-Gebirges im strahlend blauen Himmel aufragen, wenn die viele Außengastronomie wieder ohne Heizpilze besucht werden kann…?
Für den Abend hatten wir uns ein Lokal ausgesucht, das in vielen Internetportalen und Blogs vielversprechend klang, die Raketa Rakia Bar. Leider schüttete es in Strömen, als wir aus unserer Wohnung kamen und obwohl nur ein paar Schritte von ihr entfernt an der Maria-Luiza-Straße jede Menge Taxen standen, wollte uns niemand mitnehmen, weil sie angeblich alle besetzt waren. Also nichts wie los zur Metrostation.
Wehe es regnet in Sofia
Die U-Bahn mit nur zwei Linien wurde erst 2012 eröffnet, daher wirkt der Untergrund fast noch steril. Tickets kauft man ganz einfach am Automat oder an der Kasse – 1,60 Lev pro Fahrt, egal wie lange. Unsere Fahrt war kurz. Eine Station mit der Linie 2 und dann noch eine mit der Linie 1. Als wir wieder aus dem Untergrund auftauchten, regnete es immer noch in Strömen und unsere Entfernung zum Lokal hatte sich gerade mal um 400 m reduziert, da die U-Bahn-Station Universität auch nicht gerade nah zur Raketa Rakia Bar lag. Diesmal hatten wir allerdings Glück und ein Taxifahrer sammelte uns auf. Das hat er sicherlich gleich wieder zutiefst bereut, als wir ihm die Adresse des Restaurants auf dem Smartphone unter die Nase hielten. Leider stand die da nicht auf kyrillisch und die Verständigung zwischen uns klappte auch auf andere Weise nicht so besonders. Aber irgendwann kamen wir dann doch so nah an das Lokal heran, dass wir die letzten Meter zu Fuß zurücklegten. Bei der Ankunft war das interessante Lokal, das zum Teil noch mit Möbeln und Accessoires aus der sozialistischen Zeit gestaltet ist, zwar noch total leer, aber es füllte sich schnell und aufgrund unserer fehlenden Reservierung konnten wir auch nur für eineinhalb Stunden einen Platz ergattern. Das reichte uns allerdings, um das Ambiente und das Essen zu genießen. Hier trifft sich wohl die junge Oberschicht der Stadt gerne und das ist auch verständlich, denn das Essen ist klasse, der Service schnell und freundlich und der Stil des Restaurants modern gemütlich.
Da es nach unserem Restaurantbesuch aufgehört hatte, zu regnen, wollten wir noch einmal zur Alexander Nevski Kathedrale, die am Abend total beeindruckend beleuchtet ist. Der Abstecher hatte sich auf jeden Fall gelohnt.
Sofia bei Sonnenschein am nächsten Tag ist natürlich nochmal ein bisschen schöner. Die goldenen Kuppeln der russisch orthodoxen Kirche und der Kathedrale leuchten im Sonnenschein und bilden ein tolles Fotomotiv. Auf der Rakovski Straße bummelt man entlang verschiedener Theater der Stadt, um dann in die Tsar Shishman Straße einzubiegen. Die Straßenzüge in diesem Viertel zeichnen sich durch ihre Graffities aus, die man allerdings nur vereinzelt noch an den Hauswänden findet.
Wenige Schritte weiter trifft man auf die größte Parkanlage der Stadt. Der Ariana-See, der in diesem Park liegt, ist ein kleines Naherholungsgebiet inmitten der Stadt. Wenn der Winter ein wenig weiter fortgeschritten ist, dann wird auf dem See Schlittschuhgelaufen.
Dass das kleine Zentrum Sofias, das leicht zu Fuß erlaufbar ist, nicht das tatsächliche Leben der Stadt widerspiegelt, wird schnell klar.
Mit einem Tagesticket der Metro, mit dem man auch alle Straßenbahnen und Busse benutzen kann und das gerade mal etwa zwei Euro kostet, kann man sich den Spaß machen und in die Randzonen der Stadt fahren.
Hier findet man noch Ost-Romantik
Wenn man dann an den Haltestellen der Wohngebiete aus dem Untergrund auftaucht, findet man vielerorts die typisch sozialistischen Plattenbauten vor.
Im Norden hingegen, dort, wo die Stadt an das Vitosha-Gebirge grenzt, ist Wohlstand nicht nur in der modernen Shopping-Mall Paradise Center deutlich spürbar. Übrigens: Auch wenn man ein Tagesticket besitzt, so muss man es doch vor jeder Fahrt bei der Dame im Kassenhäuschen direkt am Eingang zum Gate noch einmal scannen lassen.
Ein Restaurant, das wir beim Blogger Steve in seinem Blog entdeckt hatten, war das Divaka. Ein ziemlich großes Restaurant, mit moderner Einrichtung und total freundlichem Personal. Die Küche ist einheimisch mit internationalen Elementen, aber die Qualität und das Preis-Leistungsverhältnis passen. Eine Spezialität des Hauses ist eine Suppe, die im Brot serviert wird.
Beim Abflug muss man ein wenig aufpassen, denn Ryan Air fliegt nicht ab dem International Terminal, sondern ab Terminal 1, dem ehemaligen alten Flughafen der Hauptstadt. Zwischen den beiden Terminals verkehren sporadisch fahrenden Shuttlebusse und Taxen, die sich diesen Transfer von ca. 2 km für bulgarische Verhältnisse fürstlich mit umgerechnet fünf Euro entlohnen lassen.
Sofia – eine spannende Stadt zwischen den Zeiten
72 Stunden Sofia – für einen ersten Eindruck absolut ausreichend, vor allem um diese Jahreszeit. Im Frühjahr und Sommer, wenn all die Parks und Straßencafés bevölkert sind, die Sofia auch den Beinamen „grün“ verleihen, dann hat die Stadt sicherlich einen ganz besonderen Reiz. Beim nächsten Sofia-Besuch steht aber mit Sicherheit auch ein Ausflug in die Berge und aufs Land mit auf dem Programm, wo sich Bulgarien dann noch von seiner viel ursprünglicheren Seite zeigt.