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MYTHOS BAYERN

Dass die Bayerischen Landesausstellungen meist sehr interessant sind, ist bekannt. Und auch diesmal ist dem Haus der Bayerischen Geschichte, das die Ausstellungen seit 1986 organisiert,  mit „Mythos Bayern“ eine absolut besuchenswerte Ausstellung gelungen. Mit dem Kloster Ettal ist auch der Ort der Ausstellung zum Thema sehr passend gewählt.

 

 

„Wald, Gebirg, Königstraum – Mythos Bayern“

12 Euro Eintritt kostet die Ausstellung, für drei Euro zusätzlich gibt es noch einen Audioguide dazu, der exzellent besprochen ist, viel, aber nicht zu viel Information gibt und durch eine männliche und eine weibliche Stimme abwechslungsreich Wissen vermittelt. Parkplätze gibt es auch genügend vor Ort zum Tagespreis von 3 Euro. Wenn viel los ist, muss man einen kleinen Spaziergang von 10 Minuten in Kauf nehmen. Die Beschilderung der Parkmöglichkeiten ist schon vor der Ortseinfahrt gut sichtbar angebracht.

 

Wald

Der erste Bereich beschäftigt sich mit dem Thema Wald in Bayern. Welche Rolle spielt das Holz und der Wald für die Menschen in Bayern und die Entwicklung des Mythos Bayern. In einer spannend aufgebauten, teilweise auch interaktiven Präsentation, finden Holzfäller und Flößer genauso Erwähnung wie die Geigenbauer aus Mittenwald und die Herrgottsschnitzer aus Oberammergau.

 

Gebirg

Bayern ohne Berge ist nicht denkbar. Die meisten denken bei Bayern an oberbayerische Postkartenidylle und bei dieser fehlt selten eine Gebirgskette als natürlicher Rahmen. Aber nicht nur die Berge an sich, sondern auch die dadurch entstandenen Professionen und Gewerke finden im Mythos Bayern Erwähnung.

 

Königstraum

Natürlich darf unser König Ludwig bei einer Landesausstellung in seinem geliebten Graswangtal nicht fehlen. Aber auch seine Vorfahren, wie z.B. sein Großvater Ludwig I und sein Vater König Maximilian und seine Mutter Königin Marie werden in der Ausstellung portraitiert und ihr Zutun zur Entstehung des Mythos Bayern deutlich herausgestellt. Den Höhepunkt, Blickfang und zugleich Abschluss der Ausstellung bildet der König-Ludwig-Pavillon, eine überdimensionierte Schneekugel, in der bei einer kurzen Sound & Light Show die Visionen des Märchenkönigs für ein paar Augenblicke Wirklichkeit werden.

 

 

 

Für wen ist Mythos Bayern gemacht?

Eigentlich für jeden, der sich für die Traditionen und die Kultur unseres Landes interessiert. Und auch für diejenigen, die mehr über das bayerische Lebensgefühl erfahren wollen. Historische Inhalte werden populär aufbereitet. Hier findet man die Erklärung dazu, wie es zu den immer noch gelebten Tradtionen zwischen Kitsch und Stolz kam und worin der Ursprung für die Liebe zum Freistaat begründet sein könnte.

 

HAHNENKÖPFLE

Dieses Mal möchte ich euch ein kleines Hotel in Oberstdorf im Allgäu ans Herz legen, denn das Hahnenköpfle ist wirklich etwas besonderes. Es hat nur 17 Zimmer und jedes einzelne davon ist liebevoll eingerichtet und mit einem Händchen für Stil geschmackvoll gestaltet. Dabei wird das Allgäu treffend ins Szene gesetzt, ohne dabei klischeemäßig zu wirken.

 

 

 

Ich hatte zwar das Glück in einer der Suiten zu übernachten, aber auch alle anderen Unterkünfte sind mit so viel behaglichem Ambiente gestaltet, dass man sich einfach wohlfühlen muss.

 

 

 

 

Aber auch die Verpflegung im Haus ist klasse. Die beginnt mit einem vielseitigen Frühstücksbuffet mit regionalen Allgäuer Komponenten am Morgen. Wer möchte, kann sich auch am Abend im Hahnenköpfle verpflegen lassen und das 3-Gang-Menü im Restaurant genießen. Aber es stehen am Abend auch genügend andere Alternativen zur Verfügung, da das Hotel recht zentral liegt und nur wenige Gehminuten vom Zentrum der südlichsten Gemeinde Deutschlands entfernt. Dennoch wohnt es sich im Hahnenköpfle sehr ruhig.

 

 

Neben den vielen Wander-,  Freizeit- und Shoppingmöglichkeiten, die Oberstdorf seinen Urlaubern und Wochenendgästen bietet, kann der Hotelgast in dem erst vor zwei Jahren fertig gestellten Wellnessbereich des Hotels ausgezeichnet entspannen. Selten findet man einen derart großzügig angelegten SPA für so wenig Zimmer. Hier wird es bestimmt keine Schlacht um die Liegen im Ruhebereich geben. Der Wellnessbereich ist – wie das gesamte Haus – von Familie Jost mit viel Geschmack und Stil gestaltet worden und bietet wirklich eine ansprechende Abwechslung für Gäste, die die großen Wellnesshäuser etwas scheuen.

 

 

 

Oberstdorf bietet seinen Besuchern das ganze Jahr über Programm. Im Sommer sind es die Berge mit den Wander– und Mountainbike-Möglichkeiten, im Winter sind es die Loipen und Skipisten, die Gäste anziehen. Natürlich sind es auch die sportlichen Highlights, wie die Vier-Schanzentournee, die Oberstdorf  weit über die Grenzen Deutschlands hinaus berühmt gemacht haben. Der Ort hat eigentlich immer Saison, da er sich in den letzten Jahren auch modern weiter entwickelt hat mit seinen Restaurants, Läden und auch Hotels wie das Hahnenköpfle, die  auch junges Publikum ansprechen.

 

FEHMARN

Da ich eh in dieser Ecke beruflich zu tun hatte, wollte ich endlich mal die Gelegenheit nutzen und mir die drittgrößte deutsche Insel, nämlich Fehmarn, ansehen. Gut, ich hatte nur einen Tag Zeit, aber das sollte für einen ersten Eindruck von dem kleinen Eiland reichen. Von Lübeck, wo ich meine Zelte aufgeschlagen hatte, fährt man gerade mal eine Stunde mit dem Auto auf der A1 nach Norden. Mit der Bahn dauert es ebenfalls nur eine Stunde, wenn man einen EC wählt.

 

 

Imposant begrüßt den Ankommenden die Fehmarnsundbrücke, die die Insel mit dem Festland verbindet. Danach wird es schnell ländlich, lediglich wenn man in dem stockenden Verkehr zum Hauptort Burg feststeckt, hat man noch ein städtisches Gefühl.

 

 

Burg ist das geschäftige Zentrum der Insel mit jeder Menge Restaurants, Shops und hübschen Läden, die zum Einkaufen von regionalen Spezialitäten einladen. Auch wenn das Städtchen recht umtriebig wirkt, so strahlt es doch mit seinen roten Backsteinhäusern eine gewisse Altehrwürdigkeit und vor allem aber auch Urlaubsgefühle aus.

 

 

Wer baden möchte, und das war an diesem Junitag ohne Einschränkung selbst für Warmwasserschwimmer, bestens möglich, den zieht es eher in den Süden der Insel zum Südstrand in Burgtiefe. Hier reihen sich die Strandkörbe akkurat aneinander, wobei sich an dem sonnigen Tag nur wenige in den Korb zurückziehen, sondern einfach im Sand die Sonne genießen.

 

 

 

Am Abend ist neben Burg auch Orth ein Anziehungspunkt. Am Hafen sitzend kann man die heimkehrenden Segelboote beobachten und allerlei Ostsee-Spezialitäten genießen.

 

 

 

Mit insgesamt rund 300 Kilometern ausgeschilderten Radwegen, oftmals direkt an der Küste oder auf dem Deich entlang, ist Fehmarn ein Paradies für Radfahrer. Auch die schmalen Verbindungsstraßen zwischen den kleinen Ortschaften sind nur ganz wenig von Autos befahren und stehen somit den Radlern fast allein zur Verfügung. Auf dem 78 Kilometer langen Küstenstreifen wechseln sich Naturstrände, Binnenseen und Steilküsten ab, im Inselinneren geht es durch die weiten Felder und Wiesen der flachen, ebenen Insel mit idyllischen Dorfansichten.

 

 

Ob Strandspaziergang, ein kurzes „Füße vertreten“ auf dem Deich oder gar eine Tageswanderung durch weite Felder und Wiesen – auf Fehmarn kann man die Seeluft im wahrsten Sinne des Wortes „laufend“ genießen.

 

 

Nicht unbedingt ein Geheimtipp, aber ein gastronomisches Highlight findet man in Katharinenhof, im Südosten der Insel. Im Hofcafé Allee-Café gibt es als Spezialität selbst gemachte Windbeutel, die jegliche Vorstellung, die man von dem süßen Gebäck hat, toppen.

 

BILBAO

Wenn man Bilbao hört, dann fällt vermutlichen vielen zunächst das Guggenheim-Museum ein. So ging es mir auch. Bilder von der großartigen Architektur des Museumsgebäudes tauchen vor dem inneren Auge auf. Aber bietet die Stadt sonst noch was? Auf jeden Fall! Leider hatten wir tatsächlich nur einen Tag  – als Tagesausflug von San Sebastian aus – eingeplant, aber mehr gab unser Kurztrip ins Baskenland leider diesmal zeitlich nicht her.

 

 

Wir hatten uns in San Sebastian einquartiert, nicht nur, weil zum Zeitpunkt unserer Reise Hotelzimmer in Bilbao rar waren. Dies lag an dem Wochenende vor allem am European Rugby Champions Cup, der 2018 in Bilbao stattfand und große Scharen von Rugby-Fans vor allem aus dem angelsächsischen Sprachraum in die Stadt lockte. Im Normalfall bietet die Stadt ein größeres Unterkunftsangebot als das etwas kleinere San Sebastian mit günstigeren Alternativen als die elegante Nachbarstadt. Stündlich verkehren Busse zwischen den beiden Städten. Die einfache Fahrt liegt für die 75 Minuten bei ca. 14 Euro. Vom Busbahnhof in Bilbao läuft man ca. 20 Minuten in die Altstadt und auch ca. 20 Minuten zum Guggenheim-Museum. Natürlich gibt es auch öffentliche Verkehrsmittel, sogar eine Metro, mit der sich jedoch die Hauptattraktionen der Stadt nicht direkt erreichen lassen und in jedem Fall noch einen kleinen Fußmarsch erforderlich machen.

 

 

Bilbao – wie Phönix aus der Asche

Man kann sich kaum vorstellen, welche Veränderungen in den letzten 25 Jahren in der Stadt vorgegangen sind. Während Anfang der 90er Jahre durch den Niedergang der Schwerindustrie und der Schließung von Werften die Zukunft der Stadt düster aussah, findet man heute eine moderne Metropole vor, die nicht nur durch die Architektur des Guggenheim-Museums ihr Erscheinungsbild völlig gewandelt hat. Die Stadtväter Bilbaos waren mutig und entschieden sich dafür, aus Alt Neu zu machen und aus Grau Grün. Mit dem Bau des weltberühmten Museums legten sie in den Jahren 1993 bis 1997 den Grundstein dazu. Mehr als eine Million Besucher kommen seither jährlich nach Bilbao, um sich live von dem Wandel der von Industrie verschandelten Stadt in eine stolze attraktive Metropole zu überzeugen.

 

 

Das Guggenheim-Museum – Highlight der Stadt

Das Guggenheim-Museum ist und bleibt aber das Highlight eines Besuchs. Bei normalem Besucherandrang empfiehlt es sich online Eintrittskarten zu reservieren, da man dann an den Warteschlangen vorbei, direkt zu den im Eintrittspreis von 13 bis 16 Euro integrierten Audioguides und anschließend zu den Einlasspforten durchmarschieren darf. Wir hatten großes Glück, denn just in dem Zeitfenster, für das wir unsere Karten reserviert hatten, wurde das Rugby-Endspiel angepfiffen und fast alle zu diesem Zeitpunkt in Bilbao weilenden Touristen waren im oder auf dem Weg zum Stadion. So stand der Muse für die Besichtigung des grandiosen Bauwerks mit ebenso grandiosem Inhalt nichts mehr im Wege.

 

 

 

Das Gebäude, das der amerikanische Architekt Frank O. Gehry Mitte der 90er am Rio Nervión geplant und erbaut hat, war nicht unumstritten. Aber längst sind alle Kritiker verstummt und haben sich an die Kalksteinblöcke, Glas, Wassergärten und an die hauchdünnen Titanplatten, die wie Fischschuppen wirken, gewöhnt. Die Besichtigung beginnt bereits außen, wenn man z.B. auf „Maman“, eines der riesigen Spinnenexemplare von Louise Bourgois trifft oder „Puppy„, dem Blumenhund von Jeff Koons gegenüber steht. Leider bekam er gerade ein neues Blumenfell, was zwei Mal im Jahr passiert, und war daher in seiner gesamten Größe nur auf der verhüllenden Leinwand optisch zu erfassen.

 

 

Innen erwarten einen 19 Galerien, deren Zentrum ein 50 Meter hohes Atrium bildet, das allein schon eine fastastische Attraktion darstellt. In der Collection Guggenheim finden sich zahlreiche namhafte Werke von Rothko, Rauschenberg, Beuys, Warhol, Baselitz – um  nur eine kleine Auswahl zu nennen. Daneben gibt es immer noch mindestens zwei temporäre Ausstellungen. In unserem Fall war das u.a. eine hochinteressante Präsentation von Kunst und China nach 1989 sowie von Esther Ferrer, einer Künstlerin aus San Sebastian. Besonders beeindruckend sind die sieben Stahlstrukturen von Richard Serra „The Matter of Time„, die für die Besucher zu begehen sind. Wer sich zwischendurch ein wenig Pause von der vielen beeindruckenden Kunst gönnen möchte, kann im Bistro und im Restaurant des Museums, das jedoch nur bis 15.30 Uhr geöffnet ist, gut Energie tanken.

 

Charmante Altstadt mit Brücken und Kunst

Aber wie schon anfänglich erwähnt, sollte man sich auf keinen Fall nur auf das Museum konzentrieren, sondern auch einen Abstecher in die Altstadt machen, die unglaublich viel Charme versprüht. Gott sei Dank ist in Bilbao nicht aus allem Alten Neues gemacht worden. Kleine Läden, Häuser mit Wappen und Glasgalerien, traditionelle Cafés und nette Bars gestalten eine Atmosphäre, in der man sich gerne aufhält. Etwas ganz Besonderes sind in Bilbao die vielen Brücken, die über den Rio Nervión führen und fast auch wie Kunstwerke wirken. Kunst gibt es übrigens auch überall in der Stadt und entlang der Promenade vom Guggenheim-Museum am Ria de Bilbao entlang, wie der Rio Nervión ab der Altstadt von Bilbao genannt wird.

 

 

 

 

Einen Blick sollte man auf jeden Fall auch in die Markthalle La Ribera werfen, wo Einheimische einkaufen und ein Teil als eine Art Bistro reserviert ist, in dem es Pintxos in allen Variationen gibt. Selbst wenn man nicht vorhatte, hier einen kulinarischen Stopp einzulegen, so kann wohl kaum jemand dem vielfältigen attraktiven Angebot widerstehen, zumal es auch an Bier und Wein im La Ribera nicht mangelt.

 

 

 

Wir haben es sehr bedauert, dass wir so wenig Zeit für die Stadt hatten. Daher wird es nicht unser letzter Besuch gewesen sein, zumal ja der Flughafen von Bilbao erstklassige Verbindungen nach Deutschland anbietet. Nur, wie für San Sebastian auch, sollte man auf jeden Fall warme Kleidung und einen Regenschirm im Gepäck haben – auch im Sommer! Denn das baskische Wetter garantiert eines: Es ist selten so, wie es die Wetter-App angekündigt hat…

 

SAN SEBASTIAN

An San Sebastian konnte ich mich nur noch vage erinnern. Immerhin ist es fast 20 Jahre her, als wir damals mit dem VW-Bus die baskische Küste entlangfuhren und dort auch einen Halt einplanten. Ich wusste nur noch, dass ich die Stadt damals toll fand. Warum und weshalb hatte ich nicht mehr so genau in Erinnerung, aber das Gefühl war all die Jahre geblieben, dass ich mich dort gerne noch einmal etwas genauer umsehen würde.

 

 

Wenn man einen Besuch in San Sebastian, der Kulturhauptstadt von 2016 plant, gibt es fünf „Musts“, die nicht ausgelassen werden dürfen bei der Erkundung der Stadt. Das Gute an San Sebastian ist nämlich, dass man nicht von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit hetzen muss, um den Charakter der baskischen Metropole zu erfassen, sondern den begreift man hauptsächlich beim Schlendern durch die Stadt und entlang des Strands, beim Erklimmen von kleinen Aussichtsbergen und beim Essen. Ist das nicht wunderbar? San Sebastian hat wirklich Lebensqualität!

 

La Concha

La Concha ist einer von drei Stadtstränden von San Sebastian und für viele sogar der schönste Stadtstrand der Welt. Den Namen hat der Strand mit seinem feinen weißen Sand von seiner Muschelform erhalten, die man besonders gut von den beiden Aussichtsbergen sieht. Die Promenade entlang der Strandabschnitte lädt zum ausgiebigen Flanieren ein. Kilometerlang kann man am Wasser in der Stadt entlang schlendern und die immer wieder wechselnden Ausblickszenerien, häufig bedingt auch durch das atlantische Wolkenspiel, genießen. Baden kann man natürlich auch. Und kaum scheint die Sonne ist La Concha auch sofort gut gefüllt mit Sonnenanbetern.

 

 

 

 

Altstadt

Der meistbesuchte Teil San Sebastians oder Donostias, wie es sich auf Baskisch nennt,  ist ohne Zweifel die Altstadt. Sie liegt am Fuße des Monte Urgull, natürlich begrenzt durch den Hafen und die Einmündung des Flusses Urumea. Die Straßen der Altstadt sind voller Geschäfte, Restaurants, Bars und Cafés. Letztere sind für allem für ihre Pintxos bekannt, die legendären Häppchen. Am besten erkundet man „la parte vieja“ Gasse für Gasse längs oder quer, dabei sollte man die Plaza de la Constitución, wo ehemals die Stierkämpfe abgehalten wurden und heute das Nachtleben pulsiert, nicht übersehen.

 

 

 

Es herrscht eine gewisse Eleganz in der Stadt, selbst in der Altstadt, die von Touristen wie Einheimischen gleich gut frequentiert wird. San Sebastian ist lebhafter und sauberer als viele andere spanische Städte. Eine gewisse Exklusivität ist sowohl in den Auslagen der Geschäfte wie auch an den Hausfassaden zu erkennen, vor allem in den direkt an die Altstadt angrenzenden Einkaufsvierteln.

Monte Igueldo / Monte Urgull

Diese zwei Aussichtsberge stehen ganz oben auf der To Do Liste bei der Erkundung der Stadt. Der Monte Igueldo ist ohne Zweifel der prominentere der Beiden, mit 200 Meter auch der höhere. Ihn kann man sehr bequem mit einer Zahnradbahn erklimmen (3,15 € hin und zurück), was am Wochenende auch viele einheimische Familien machen, weil sich hier ein kleiner Freizeitpark mit allerlei Attraktionen befindet. Uns interessiert aber viel mehr der fantastische Blick, der sich auf „La Concha“, die Stadt und die beiden anderen Strände bietet. Und damit man ihn auch wirklich genießen kann, gibt es – wie übrigens in der gesamten Stadt – jede Menge Bänke und andere Sitzgelegenheiten, aber auch eine Bar und ein Café.

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Monte Urgull kann nur zu Fuß bestiegen werden, aber mit 120 m Gipfelhöhe ist dies keine große Herausforderung. Wem es dennoch zu viel ist, der kann den Hügel auch einfach nur an der Strandpromenade umwandern. Aber auch hier lohnt der Aufstieg zum Castillo de la Mota und der monumentalen Christus-Statue, die wie ein Beschützer über der Altstadt auf dem Monte Urgull thront. Im Castillo befindet sich ein recht sehenswertes Museum, das kostenlos Eintritt gewährt und einen Abriss über die Geschichte der Stadt bietet.

Pintxos

Pintxos sind die Tapas San Sebastians – einfach ausgedrückt. Aber das wäre wirklich sehr einfach. Sie sind eine gastronomische überregional bekannte Besonderheit der Stadt: Es handelt sich um kleine kalte oder warme Gourmetportionen oftmals aufgespießt auf kleinen Weißbrotscheiben, die nicht nur attraktiv aussehen, sondern auch fantastisch schmecken. Die Entscheidung fällt schwer, wenn man vor den Pintxos-Bergen steht, die so appetitlich an der Theke aufgebaut sind, dass man am liebsten alle verkosten möchte. Wie der Kellner an der Bar den Überblick behält, wer sich wie viele dieser Köstlichkeiten auf den Teller geladen hat, bleibt uns bis zum Schluss ein Rätsel. Vor allem wenn sich zu den Ballungszeiten am Mittag und Abend halb San Sebastian auf den Beinen befindet und sich in den Bars auf ein Glas Wein und ein paar köstliche Häppchen am Tresen trifft. Wo möglich, wird das Geschehen auch gerne vor die Bar verlegt, da einen wahren San Sebastiano weder Regen noch Kälte von seinem Pintxos-Vergnügen abhalten kann.

 

Museo San Telmo

Eigentlich war der Besuch des Museo San Telmo eher eine Verlegenheitslösung aufgrund des regnerischen Wetters. Allerdings war es uns auch schon von unserem Gastgeber Antonio wärmstens ans Herz gelegt worden. Und wie hätten wir es bedauert, wenn uns dieses Highlight der Stadt entgangen wäre!

 

Am Fuß des Monte Urgull, der die Bucht von San Sebastián nach Norden abschließt, liegt das San Telmo-Museum zwischen der dicht bebauten Altstadt und dem üppigen Grün des Hügels. Es stellt eine gelungene Synthese von alter und moderner Architektur dar. Zwei temporäre Ausstellungen in dem modern gestalteten Kreuzgewölbe und eine ausgezeichnete Ausstellung über das baskische Leben und die Kultur ließen die Zeit wie im Flug vergehen. Schade war, dass wir nur zwei Stunden eingeplant hatten und zu den letzten Besuchern zählten, als das Museum um 20 Uhr am Abend dann schloss. Tief  beeindruckt waren wir von der ehemaligen Dominikanerkirche  und der Son-et-Lumière-Show, die dort stündlich gezeigt wird.

 

 

 

Das moderne multidisziplinäre Museum bietet so viel Abwechslung und interessant aufbereitete Information, wie man es selten in einer Ausstellung findet. Einen Audioguide in der gewünschten Sprache gibt es zum Eintrittspreis von 6 Euro dazu. Am Dienstag ist das Museum sogar kostenfrei.

 

Fakten (Stand 05/2018):

Flüge: Mehrmals am Tag Verbindungen mit der Lufthansa zwischen München / Frankfurt und Bilbao. San Sebastian selbst hat nur einen Flughafen für innerspanische Flüge. Preis ca. 180 bis 320 Euro.

Busverbindung ab/zum Flughafen: Einmal stündlich verkehrt ein Bus vom Flughafen Bilbao direkt nach San Sebastian zum Busbahnhof. Der Preis für den Transfer beträgt 17 Euro pro Person für ca. 75 Min. Transferzeit. Tickets gibt es nur am Automaten in der Ankunftshalle.

 

Reisen vor Ort: In San Sebastian benötigt man kein Auto, zumal Parken dort auch sehr teuer ist. Wenn man einigermaßen zentral wohnt, kann man fußläufig die Sehenswürdigkeiten gut erreichen. Einmal stündlich verkehrt ein Bus zwischen San Sebastian und Bilbao (einfache Fahrt 14 Euro – 75 Min). Aber auch Vitoria-Gasteiz oder gar Biarritz kann man mehrfach am Tag mit dem Bus gut erreichen. Den detaillierten Fahrplan der Busgesellschaft PESA kann man hier einsehen. Fahrkarten mit Platzreservierung kann man im Untergeschoss des Busbahnhofs am Schalter von PESA kaufen.

 

Wohnen: San Sebastian ist kein günstiges Pflaster. Dennoch sollte man sich zentral einquartieren, weil alles Wichtige, was es in der Stadt zu sehen und zu tun gibt, sich zentral befindet. Wir haben uns schon sehr früh entschieden, da gute Unterkünfte in der Stadt immer sehr schnell ausgebucht sind. Die Wahl fiel auf „Pension Del Mar“. Eine kleine Pension mit sechs Zimmern im Stadtteil Gros, sieben Minuten zu Fuß vom Busbahnhof und sieben Minuten zu Fuß sowohl in die Altstadt wie auch ans Meer. Eine ausgezeichnete Entscheidung für ein neu renoviertes supersauberes Zimmer und mit 100 Euro pro Nacht und einer Bewertung von 9,1 bei Booking war es fast ein Schnäppchen. Gastgeber Antonio ist ebenfalls ein Volltreffer mit seinen Empfehlungen und Tipps, die den Aufenthalt zusätzlich bereichern.

 

Wetter: Einen Regenschirm sollte man in San Sebastian immer mit dabei haben – auch im Sommer. Es herrscht einfach atlantisches Klima – das Gute daran: Es regnet selten den ganzen Tag durch. Aber während unseres Aufenthalts haben wir uns manchmal nach den sommerlichen Temperaturen gesehnt, die zum Zeitpunkt unseres Aufenthalts an der baskischen Küste in Deutschland herrschten. Während wir teilweise Schwankungen zwischen 8 bis 25 Grad ausgesetzt waren.

 

NACHT DER OFFENEN WEINKELLER

Die Pfälzer lassen sich ja jede Menge einfallen, um zu feiern, ihren Wein hochleben zu lassen oder einfach nur einen Grund zu finden, um gemütlich im geselligen Kreise eine Schorle oder ein Glas Wein zu trinken.

 

 

Bei meinem diesmaligen Besuch in der Pfalz stand die „Nacht der offenen Weinkeller“ in St. Martin auf dem Programm. Alle zwei Jahre öffnen 14 der St. Martiner Weingüter ihre Keller, um dort Weine zur Verkostung anzubieten. Man kauft sich bei dem Winzer, bei dem man seinen Rundgang startet, ein Eintrittsbändchen und ein Glas für 20 Euro und kann dann ganz nach eigenem Geschmack seine Route durch die Weinkeller antreten.

 

Bis zu sechs Weine – rot, rosé und weiß – werden in jedem Weingut ausgeschenkt. Natürlich kann man an dem Abend auch Weine in den Kellern kaufen, wenn einem das Tragen im Laufe des Abends nicht zu schwer wird.

 

 

Freimütig gewähren die Winzer Einblicke in ihre Keller, Lagerräume und Abfüllanlagen, die sie zum Teil einladend illuminiert haben. Und überall findet man sich gesellig zusammen an Stehtischen, Bierzeltbänken oder einfach nur mit seinem Glas in der Hand – wie könnte man es auch anders in der Pfalz erwarten? Wie immer hat man nicht den Eindruck, dass hier eine Veranstaltung für die Touristen entstanden ist, sondern vielmehr zur Unterhaltung der Einheimischen, die ja das ganze Jahr über nicht müde werden, Feste rund um den Wein zu veranstalten und zu genießen.

 

 

 

 

Der Rundgang durch das idyllische Örtchen St. Martin an der südlichen Weinstraße macht nicht nur wegen der Weine Spaß, sondern auch aufgrund der malerischen Pfälzer Architektur, die man dort in den schmalen Straßen vorfindet. Der historische Ortskern, der seit 1981 unter Denkmalschutz steht, lockt mit seinen engen Gassen, Fachwerkhäusern, urigen Winzerhöfen und dem freigelegten Kropsbach. Der Weinbau hat in St. Martin seit jeher Tradition und diese wird in den zahlreichen Familienbetrieben auch gelebt.

 

 

 

Damit man in St. Martin und vor allem während der Nacht der offenen Weinkeller nicht darben muss, finden sich im und um den Ort herum die vielfältigsten  Gastronomiebetriebe. Nicht nur Liebhaber von  Pfälzer Spezialitäten wie dem berühmten Saumagen oder den Leberknödeln mit Sauerkraut werden hier fündig. Anfang April 2020 ist es wieder so weit und die Weinkeller öffnen in der Nacht ihre Tore. Bis dahin ist St. Martin allerdings auch zu jeder anderen Jahres- und Tageszeit einen Besuch wert.

JAPAN TRIFFT AUF PFALZ

Fusion-Küche mal ganz anders. Japanische Küche mit Pfälzer Weinen – warum nicht? Auf der Homepage vom Weingut Josef Biffar steht: „Zu einem guten Essen gehört ein guter Wein – dieser Satz kennt keine nationalen Schranken“. Ein japanisches Restaurant in einem Pfälzer Weingut, in dem man eigentlich Saumagen und Leberwurst erwartet – kann das funktionieren? Es funktioniert nicht nur, sondern ist genial!

 

Fumi im Weingut Josef Biffar

Japanisches Essen, das ich seit meiner Reise dorthin vor zwei Jahren noch mehr zu schätzen gelernt hatte wie zuvor und Pfälzer Weine, die ich seit Jahren zu den köstlichsten Tropfen der Welt zähle – eine fantastische Kombination. Die Einladung ins Restaurant Fumi im Weingut Biffar in Deidesheim war mein Geburtstagsgeschenk und ich hatte mich natürlich schon ein bisschen im Internet vorbereitet. Aber die Überraschung war dann dennoch immer noch groß, als wir in die Vinothek des Weinguts kamen, wo die Gäste das köstliche Mahl erwartet.

 

 

Wenn schon, denn schon. Wir entschieden uns für das Japan-Menü „Sakura“, das aus fünf Gängen besteht und mit und ohne begleitende Weine bestellt werden kann. Aber wie gesagt, wenn schon, denn schon. Und es wäre in der Tat ein Fehler gewesen, wenn wir auf die so sorgfältig ausgewählten Weine verzichtet hätten.

 

 

 

Das Menü war ein Traum. Es startete mit einem Fünferlei aus der Japanischen Küche,  gefolgt von einer Dashi-Ingwer Essenz. Beim Hauptgang stehen zwei Gerichte – Fisch und Fleisch – zur Auswahl. Unsere Wahl fiel auf das Rinderfilet. Danach folgte eine kleine Auswahl an Sushi und den Abschluss bildete ein fanstastisches Sesameis. Die Weine dazu waren erlesen. Ein wunderbares kulinarisches Erlebnis – natürlich kein Schnäppchen, aber das ist japanisches Essen ja selten. Und ich war ja schließlich eingeladen – das machte das Erlebnis noch schöner.

 

 

 

Man sollte übrigens auf jeden Fall im Vorfeld reservieren, was auch online über die Homepage des Weinguts machbar ist. Die Seite selbst wirkt ein wenig nichtssagend und wird dem tollen Fumi in seinem einmaligen Ambiente nicht ganz gerecht. Dafür ist hier alles authentisch, denn die Betreiberin des Weinguts, Fumiko Tokuaka stammt aus Osaka, hat in Deutschland Önologie studiert und betreibt das Weingut zusammen mit ihrem Kellermeister seit 2013 sehr erfolgreich.

 

 

Wie immer ist die Pfalz mal wieder für eine grandiose Überraschung gut gewesen!

ÄTHIOPIEN – DER SÜDEN

Nun geht es also in den Süden dieses fantastischen Landes Äthiopien.  Wir sind neugierig, völlig fasziniert und voller Erwartung. Können die Eindrücke und Erlebnisse aus dem Norden noch getoppt werden?

 

Mit dem King of the Road durch den Süden von Äthiopien

Tesfaye erwartet uns in Arba Minch am Flughafen. Er wird für die nächsten 10 Tage unser Driverguide sein. Er wurde uns als „King of the Road“ und der Beste, den es in Äthiopien gibt, angekündigt. Eine coole Socke – urteilen wir auf den ersten Blick. 1,65 groß, Camouflage-Hose, Safari-Weste, Sonnenbrille, Goldarmband. Er ist ein Profi und Gold wert, wie wir die nächsten Tage noch häufig feststellen werden.

 

 

Unser Flug hat Verspätung, da er einen unplanmäßigen Stopp in Jimma eingelegt hat. Flugzeuge agieren zeitweise in Äthiopien wie bei uns die Straßenbahn – kann schon sein, dass man zwei Mal zwischenlanden muss, bevor man sein endgültiges Reiseziel erreicht. Tesfaye fährt uns an dem Abend noch zur Dorze-Lodge, hoch über dem Abaya- und Chamo-See gelegen.

 

 

 

Die Lodge ist ein Projekt, das vom Stamm der Dorze gebaut und auch gemeinnützig zur Unterstützung des Stammes betrieben wird. Der Blick von dort oben ist unglaublich, sodass wir uns von unserem Tukul, das im typischen Dorze-Stil, wie ein Elefantenkopf geformt ist, eigentlich gar nicht mehr wegbewegen wollen. Dass in dieser Nacht zum ersten Mal unsere Schlafsäcke und die lange Unterwäsche zum Einsatz kommen, ist bei dem Sonnenaufgang, den wir fast vom Bett aus betrachten können, schon längst wieder vergessen. Dass uns im Norden des Landes gewaltige Landschaft erwartet, darauf waren wir vorbereitet, aber dass es im Süden nun so weiterging, das überraschte uns doch.

Der Stamm der Dorze

Nach dem Frühstück holt uns ein junger Einheimischer ab und zeigt uns das Dorf, das eines von elf Dorze-Dörfern ist. Die Bevölkerung lebt hauptsächlich vom Weben von Leinenstoffen und vom Anbau von „falschen“ Bananen, aus deren Fasern nach dem Fermentierungsprozess in der Erde Brot gebacken wird, das in weiten Teilen des Landes eines der Hauptnahrungsmittel darstellt. Kann schon sehr eng werden in so einem Tukul, in dem Kinder, Eltern, Ziegen und Kühe gleichzeitig Platz finden und außerdem noch gekocht und gegessen wird.

 

 

 

 

Nachdem wir zum Bananenbrot und Arraki, der aus Korn gebrannt wird, eingeladen wurden, schauen wir noch in der Grundschule und im Kindergarten vorbei. Voller Begeisterung lesen uns die Vorschulkinder das englische Alphabet vor und dann wird es sogar noch gesungen. Man könnte sie einfach nur knuddeln, so goldig sind sie mit ihrem strahlenden Lachen und ihrer Offenheit. Das äthiopische Schulsystem, vielmehr das, was häufig in den Schulen vermittelt wird, ist allerdings vielerorts, gerade auf dem Lande eher ein Trauerspiel. Weder auf die Anwesenheit der Schüler, noch auf die der Lehrer wird gewissenhaft geachtet. Und ein gesungenes Alphabet trägt wenig dazu bei, gut in Amharisch, der ehemaligen alleinigen Staatssprache oder Englisch zu kommunizieren. Heute gibt es insgesamt 85 anerkannte Sprachen in Äthiopien und eine Vielzahl an Dialekten.

 

 

Der Stamm der Konzo

Tesfaye mahnt zum Aufbruch, denn wir haben noch einiges vor. Zunächst führt uns die Fahrt mit einem kurzen Kaffeestopp – aufgrund der aufwändigen Zeremonie ist das nie mit fünf Minuten Pinkelpause getan – nach Konso.

 

 

In der Kanta-Lodge, die einem Deutschen gehört und natürlich wieder in einer sehr exponierten Lage angesiedelt ist, essen wir zu Mittag und lesen hier unseren Guide auf für die Besichtigung eines Konso-Dorfes. Der junge Mann ist sehr gut vorbereitet und zählt zu den wenigen Konsos, die durch die Dörfer des Stammes führen dürfen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen.

 

 

 

Mit Eifer erläutert er uns, dass die Konsos, die ihre Dörfer mit drei ringförmigen Steinmauern umgeben, hauptsächlich von der Landwirtschaft leben. Auf ihren Feldern können wir uns selbst von ihrem Anbaumix verschiedener Nutzpflanzen überzeugen. Häufig sind die Felder terrassiert, um das hügelige Land effizienter zu nutzen. Das Dorf besitzt mehre kulturelle Plätze, die durch Pfade miteinander verbunden sind und durch Strohdächer geschützt werden, wo sich die Männer und Jugendlichen am Abend treffen. Besonders interessant finde ich die Geburtenkontrolle der Konsos. Sobald eine Frau ein Kind geboren hat, darf ihr Mann nicht mehr bei ihr übernachten, sondern muss sich im „Gemeindehaus“, also einem dieser kulturellen Stätten nachts einquartieren. Erst wenn das Kind zwei Jahre alt ist, darf er sich seiner Frau wieder nähern. Aber da wir in dem Dorf ständig von einer Schar Kinder umringt sind, scheint diese Art von Empfängnisverhütung nicht sehr effizient zu sein.

 

 

 

Generationenbäume werden auch aufgestellt – eine Ähnlichkeit mit unseren Maibäumen ist fast nicht zu verleugnen und unser Führer zeigt uns, welchen Kraftakt junge Männer vollführen müssen, um erwachsen zu werden. Schon als Kinder trainieren die Jungs, Steine über den Kopf hinter sich zu werfen, denn wenn es ernst wird, gilt es einen großen Steinbrocken, der am Generationenbaum liegt, über den Kopf hinweg zu schleudern.

Spenden vor Ort

Zu Beginn unserer Reise hatte ich die beiden mit Kleidung und Schuhen gefüllten Reisetaschen, die ich zum Verschenken dabei hatte, an Zertihun gegeben, da wir auf den Inlandsflügen eine andere Gepäckregelung haben. Sie fährt so oft mit ihren Gästen in den Süden und kann so nach und nach an diejenigen verteilen, die am dringendsten Unterstützung benötigen. So handhabe ich es auch mit Tesfaye. Alles was ich an Stiften, Seifen und Kleidung noch dabei habe, gebe ich ihm. Mehrmals können wir beobachten, dass Touristen Kleinkindern in den Stämmen völlig unüberlegt Filzstifte schenken, die sie sich dann in den Mund stecken, weil sie gar nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Tesfaye erzählt uns von einem Fall, wo Touristen ihr Duschgel verschenkt haben und es die Kinder in dem Stamm versucht haben zu trinken. Guter Wille allein reicht halt einfach nicht, man muss auch manchmal das Hirn einschalten. Was soll jemand mit Duschgel, der sich grundsätzlich, wie es in manchen Stämmen der Fall ist, nie wäscht? Was soll er mit einem Stift, wenn er nie zur Schule geht? Was soll er mit Kleidung, wenn er in seinem Stamm nackt ist? Tesfaye weiß, wer was gebrauchen kann, wem es tatsächlich nützt und wie er verteilen muss, um Neid und Missgunst zu vermeiden. Ansonsten freuen sich viele Erwachsene und Kinder unterwegs auch über Bananen, die wir in Hülle und Fülle im Auto herumfahren und jenen geben, die uns eine kleine Gefälligkeit erweisen, wie z.B. die Wegweisung.

 

Jinka – das Tor zum Mago Nationalpark

Zu unserer Unterkunft in Jinka ist noch ein langer Weg, aber die Autofahrt ist keineswegs langweilig. Tesfaye zeigt und erzählt soviel Interessantes, kennt jeden, quatscht jeden an, macht mit jedem Spaß und so wird der Tag zu einem tollen Erlebnis, wie das Durchblättern eines Bilderbuchs.

 

 

 

 

Wir halten mal wieder an einem Markt, sehen Waschszenen am Fluss, probieren das einheimische bierähnliche Talla bei einem kurzen Stopp am Straßenrand in einem Dorf, treffen Menschen in Stammestracht am Wegesrand, weichen unzähligen Ziegen, Kühen und Schlaglöchern aus und erfahren erneut so viel über das Leben in diesem fantastischen Land. Am Abend wird es spät, bis wir in unserer Lodge eintreffen. Die Eco-Omo Lodge besteht aus lauter Zelten, die aber einen angenehmen Komfort bieten.

 

 

 

Leider können wir diesen nicht allzu lange genießen, da wir früh raus müssen, da wir zu den Mursi wollen, dem legendären Tellerlippenstamm. Aber für ein Abendessen im Restaurant ist noch ausreichend Zeit und natürlich auch für ein genüssliches Walia-Bier, meine Lieblingsbiermarke in Äthiopien und wesentlich bekömmlicher für unseren westlichen Magen als das gärende, breiartige Talla. Das Walia-Bier ist nach der endemischen Steinbock-Art im Simien-Nationalpark benannt, worauf man sehr stolz ist und was uns mindestens 20 mal erklärt wurde. Generell ist man in Äthiopien auf sehr vieles stolz – auf manches mit Recht und manchmal muss man auch über ihren Stolz ein wenig schmunzeln. Aber die meisten Äthiopier waren noch nie im Ausland. Woher sollten sie also eine Vergleichsmöglichkeit haben?

Der Stamm der Mursi

Aus dem frühen Aufbruch zu den Mursi wird dann leider nichts, da wir am Morgen feststellen, dass wir einen Platten haben. Tesfaye fährt nochmal nach Jinka, wo sich das Reifenproblem eher beheben lässt, als unterwegs. Eine halbe Stunde später ist er zurück. Wir haben inzwischen unterhaltsame Gesellschaft von ein paar Äthiopiern, die uns die Zeit vertreiben. Eineinhalb Stunden soll die Fahrt zu dem Volk dauern, das sich bisher allen Versuchen der äthiopischen Regierung, sie zu zivilisieren, erfolgreich widersetzt hat. Wir fahren dazu in den Mago-Nationalpark hinein, wo eigentlich jede Menge Wildlife zu sehen sein sollte.

 

 

 

Aber durch die Lkws, die aufgrund des Zuckerrübenanbaus diese Straße häufig frequentieren, lassen sich Löwen, Elefanten, Gazellen oder Kundus gar nicht erst sehen. Außer ein paar Vögel und Kleinantilopen läuft oder fliegt uns nichts über den Weg. Eigentlich wollte Tesfaye an diesem Tag auf Begleitung durch einen Soldaten verzichten, aber das gelingt uns nicht. So haben wir abgesehen von unserem Mursi-Guide auch noch einen schmächtigen Soldaten mit einer Kalaschnikov im Auto auf unserem Gepäck sitzen. Diesmal soll er uns wohl gegen die zeitweise aggressiven Mursis schützen, zu deren Hausstand durchgängig eine Kalaschnikov gehört, die sie sich im nahen Sudan besorgen. Ob dem schmächtigen Bürschchen das gelingen wird, scheint eher fraglich. Aber immerhin versteht er sofort, als wir ihm andeuten, dass er doch seine Gewehrmündung lieber gegen das Autodach richten soll als gegen unsere Rücksitzbank.

 

 

Kaum haben wir unseren bewaffneten Beschützer eingeladen, treffen wir auf die erste Mursifrau am Wegesrand, die uns wenig charmant auffordert, doch sofort ein Foto von ihr zu machen. 5 Birr ist der Tarif, den irgendein Tourist wohl mal vor vielen Jahren ignoranterweise eingeführt hat und an diesem Geschäftsmodell halten die Mursis auch unerbittlich fest. Eigentlich hätten sie es wirklich nicht nötig, denn wenn ein Mursi-Krieger eine Frau heiraten will, muss er 38 Kühe, 6 Ziegen, einen Bienenstock und eine Kalaschnikov dafür bezahlen. Die Mursis sind sozusagen alles Großbauern. Was sind da schon 5 Birr – umgerechnet 15 Cent? Aber offensichtlich gehts da wohl ums Stammesprinzip. Ein weiteres Prinzip scheint zu sein, möglichst missmutig zu schauen. Bei dieser ersten Begegnung mit einer Mursifrau muss sie erst ihren Teller in der Lippe einhängen. Früher durfte sie sich überhaupt niemandem außerhalb ihrer Hütte ohne Platte zeigen. Heute sieht man das wohl nicht mehr so eng, weiß aber sehr wohl, dass 5 Birr nur gefordert werden können, wenn das Schmuckstück eingelegt ist. Ohne sieht sie eh eher unattraktiv aus mit ihren bis zum Kinn hinunterhängenden und ausgeleierten Lippenlappen. Mit ist sie allerdings auch nicht viel hübscher. Im Stamme der Mursi leben noch etwa 12.000 Menschen, die dem modernen Leben abgeschworen haben und es ist ihnen auch auf das Strikteste untersagt, sich mit anderen Stämmen zu vermischen. Sie sind Nomaden und leben hauptsächlich von der Rinderzucht.

 

 

 

Da sich die Mursis nicht großartig wie die meisten anderen Äthiopier mit Kochen aufhalten, sondern am Morgen Milch mit Rinderblut vermischt trinken und ab dem Nachmittag die Nahrung nur noch in flüssiger Form von Arraqi zu sich nehmen, haben sie viel Zeit, sich den vereinzelten Touristen, die ins Dorf kommen, gegen Geld zur Schau zu stellen. Bei so mancher alten Dame hat man tatsächlich selbst am Vormittag schon Angst, dass sie einem dann nachts im Traum erscheint. Die Mursis sind weder attraktiv, noch liebenswürdig, sondern einfach nur unangenehm in ihren Forderungen. Das ganze Spektakel ist irgendwie grenzwertig und hat für die Mitglieder des Stammes etwas entwürdigendes.

Wir sind froh, als wir wieder loskommen, zumal auch unser Guide vom Stamme der Mursi wenig kommunikativ ist, wenig zu erzählen hat und den Ausflug vor allem genutzt hat, ein paar Freunde im Dorf zu besuchen, die er uns immerhin zum Teil vorgestellt hat und die den schlechten Eindruck, den ihre Stammesgenossen hinterlassen haben, wieder etwas wett gemacht haben. Gott sei Dank haben wir Tesfaye und unsere Bücher. So erfahren wir, dass eine der Erklärungen für die Tellerlippen ist, dass die Frauen möglichst unattraktiv für den Sklavenhandel durch diese Verstümmelung werden sollten. Heute hingegen ist es ein Merkmal für die gesellschaftliche Stellung im Dorf.

 

 

Da unser Reifen schon auf der Hinfahrt zum Dorf erneut seinen Geist aufgab, dies aber an einer Stelle passierte, wo gerade acht Mursijungs für eventuell vorbeikommende Touristen in Four-Wheel-Drive-Jeeps posierten und sich noch dazu ein gigantischer Ausblick auftat, war dies weniger schlimm. Außerdem leisteten uns unsere neuen Bekannten vom Morgen, die Pannenhilfe leisteten, erneut Gesellschaft. Voller Staunen betrachteten sie unsere Handyfotos vom Bayerischen Winter. Die Schneefotos waren der Renner, allerdings ging unser Handel, 5 Birr für ein Schneefoto abzukassieren aber irgendwie nicht auf.

Der Stamm der Ari

In Jinka machte Tesfaye nun die Reifen endgültig wieder klar, während wir einem Ari-Dorf einen Besuch abstatteten. Jede von uns hatte plötzlich vier kleine Mädels an der Hand, die uns ihre Englisch-Kenntnisse präsentierten und mit uns durchs Dorf liefen. Wie nett sind doch diese Aris im Gegensatz zu den Mursis.

 

 

Auf dem Weg zu unserem heutigen Standort Turmi ganz im Süden des Landes passieren wir noch einen Markt, auf dem die beiden Stämme Hamer und Benna ihre Waren verkaufen. Hamer und Benna sind sich sehr ähnlich, sprechen die gleiche Sprache und dürfen sich auch untereinander vermischen. Die Bilder, die sich uns bieten sind fantastisch. Die Hamer- und Benna-Frauen tragen kurze dünne Zöpfchen in einer Art Prinz-Eisenherz-Schnitt. Die Zöpfchen werden mit Butter, Weihrauch und Erde eingerieben, außerdem tragen sie ganz traditionelle Kleidung.

 

 

 

Sie begegnen uns freundlich und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen, als sie gegen Ende des Markts zusammensitzen, klatschen und tratschen und ihr dickflüssiges Bier Talla zusammentrinken, das man übrigens gerne auch Kindern einflößt, da es nahrhaft und beruhigend ist. Auch auf dem Tiermarkt schauen wir noch vorbei, allerdings finden sich dort nur noch ein paar Kühe und Ziegen, die keiner mehr haben will. Esel sind an dem Tag bereits ausverkauft. Beeindruckend sind die jungen Männer, die unglaublich groß sind und Beine bis zum Hals haben, die bei ihren kurzen Röcken sehr gut zur Geltung kommen. Ausnahmsweise muss man mal als Frau ständig auf die Beine eines Mannes glotzen.

 

 

 

Auf der Weiterfahrt begegnen uns immer wieder Menschen aus dem Stamm der Hamer, die von Märkten zurück in ihre Dörfer laufen. Man gewöhnt sich an die Bilder, aber wenn man kurz innehält, dann muss man sich bewusst machen, dass wir im 21. Jahrhundert leben und diese Menschen, deren junge Generation anfängt westliche Kleidung zu tragen und Handys zu benutzen, gerade versucht, einen Spaghat zu machen, zwischen Überleben in der Moderne und Erhaltung der alten Traditionen.

 

 

Die Buska-Lodge ist ein weitläufiges Areal, etwas außerhalb von Turmi. Die Hütten sind geräumig, Wasser gibt es auch und die Betten sind mit Moskitonetzen komfortabel ausgestattet. Was wollen wir mehr, als wir nach diesem den ganzen Tag anhaltenden Durchblättern eines Bilderbuchs todmüde in unsere Betten fallen?

 

 

Der Stamm der Dassanetch

Am nächsten Tag will uns Tesfaye ins Grenzland nach Kenia bringen, wo wir nach einer kurzen Passkontrolle am Omo mit einem Boot übersetzen. Nassi, ein junger Einheimischer begleitet uns in das Dorf der Dassanetch hinein.

 

 

Die Atmosphäre ist viel angenehmer als am Vortag bei den Mursi, weil die Menschen freundlicher sind und nicht permanent zu Fotos und deren Bezahlung auffordern. Im Dorf finden wir hauptsächlich Frauen, Kinder und Alte vor, da die Männer mit den Rindern zu Weideflächen unterwegs sind. Ein junger großgewachsener Krieger, die Dassanetch stammen aus der gleichen Volksfamilie wie die kenianischen Massai, hält zu Hause die Stellung und übernimmt beim Eintreffen der Touristen sozusagen das Eventmanagement. Aber wir haben viel Spaß zusammen und somit hat man nicht das Gefühl, dass die Menschen hier nur noch für die Touristen posen, sondern dass tatsächliches Dorfleben stattfindet.

 

 

 

Die Frauen tragen prächtigen Halsschmuck und an der Frisur kann man erkennen, ob sie verheiratet sind und wieviele Kinder sie haben. Die Dassanetchs tanzen ein bisschen für uns und wieder ist viel Spaß mit dabei. Als wir später mit Nassi und John, dem Chef der örtlichen Dassanetch-Guide-Assoiciation unter einem schattigen Baum sitzen und diskutieren, kommen wir auf meinen Job, meine frühere Tätigkeit als Reiseleiterin und meine Tourismuserfahrung zu sprechen. Sie erzählen von der Gratwanderung, die Stammestraditionen zu erhalten und dennoch denen, die es möchten, den Weg in die Moderne zu ermöglichen. Sie erzählen von ihren Plänen, einen Campground zu bauen, um den interessierten Travellern mehr Nähe zum Stamm zu ermöglichen. Wir kommen vom 100sten ins 1000ste. Später stößt Tesfaye, ein absoluter Profi in Sachen Äthiopischer Tourismus und Dienstleistungsqualität dazu. Es gäbe schon sehr viel zu tun in diesem Land mit der fantastischen Kultur, der Natur und der Geschichte, zumal ich bisher noch kein afrikanisches Volk auf meinen Reisen getroffen haben, das so engagiert das Thema „Service am Gast“ angeht wie die Äthiopier. Ich beschließe, mit John via Whatsapp in Kontakt zu bleiben. Mir gefällt die Sichtweise auf den Tourismus, das Engagement und die Begeisterung für das Land, auch der Tatendrang und die Ideen, obwohl es doch jungen Leuten, die Visionen haben, in dem Land nicht sehr leicht gemacht wird.

 

 

Auf dem Rückweg nehmen wir einen Polizisten in Zivil mit nach Turmi. Er muss zu einem Verkehrsunfall mit drei Toten, etwa eine Stunde von Turmi entfernt. In Ermangelung von Polizeiautos in Äthiopien muss er sich eine Mitfahrgelegenheit suchen, um sich der Unfallstelle anzunähern. Wir können ihm diese Möglichkeit leider nur für die ersten eineinhalb Stunden bieten.

Der Stamm der Hamer

Am späten Nachmittag wollen wir nach einer Pause, in der wir uns ordentlich entstauben müssen, nochmal los und die Hamer besuchen, die dann von den Märkten und den Feldern mit dem Vieh zurückkommen und ein buntes Bild abgeben.

 

 

 

Wir verabreden uns mit einem Guide, der mit seinen Kumpels in Turmi abhängt. Er bringt uns später zu seinem Dorf. Obwohl uns die Hamer ja bereits optisch vertraut sind, lernen wir erneut eine völlig andere Kultur kennen, sehen andere Bauweisen der Hütten, andere Traditionen, andere Kleidung. Aber irgendwie fühlt man sich wohl bei Ihnen. Ein alter Herr ist sehr angetan von meiner Tasche und möchte unbedingt wissen, was das ist. Ein anderer zeigt uns stolz seine Narben, die ihm auf der Haut eingeritzt wurden, weil er einen Feind getötet hat.

 

 

 

 

Ich möchte gar nicht wissen, wie vielen Mördern wir an dem Abend begegnen. Ein anderer marschiert imposant mit seinem Patronengürtel um die Hüften mit uns durchs Dorf. Sieht fast ein bisschen nach Dekoration aus. Sein Gewehr hat er in der Hütte gelassen. Über kindersichere Aufbewahrung der Waffe in der 10 m2 großen Rundhütte machen wir uns mal lieber keine Gedanken. Wir werden zu einer ganz speziellen Kaffeezeremonie gebeten. Während wir sie im Norden ja mit richtigem Kaffee kennengelernt haben, kennen die Völker hier im Omotal keine Kaffeebohnen. Sie kaufen auf dem Markt die Schalen der Bohnen und kochen eine Art Tee daraus. Schmeckt ein bisschen wie Roiboos. Danesh, unser Guide erzählt uns, dass die Regierung auch von den Hamers fordert, sich zu zivilisieren. Dazu gehört auch, dass sie Toiletten in ihren Dörfern bauen. Er zeigt uns das Gestell aus Ästen, das alibimäßig gebaut wurde und mit viel Phantasie einem Toilettenhäuschen gleicht, aber die Hamers weigern sich, es zu benutzen und gehen lieber weiterhin in die Büsche, um ihre Geschäfte zu verrichten. Immer wenn die Regierung versucht, die Stämme des Omo-Tals in ein modernes Leben einzugliedern, argumentieren diese, dass sie den orthodoxen Christen ja auch nicht verbieten, am Mittwoch und Freitag zu fasten und an den Sonn- und Feiertagen in die Kirche zu gehen.

 

 

Als wir später zu unserer Lodge zurückfahren, sehen wir viele Hamer-Frauen in Tursi, die mit Sorghum-Hirse-Säcken, die ihnen von der UN-Hungerhilfe an Verteilplätzen in der Stadt ausgehändigt werden, in ihre Dörfer zurückkehren. Man muss nicht lange darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller wäre, dem Volk den Anbau von Sorghum beizubringen, als sie mit dem geernteten Getreide zu versorgen. Aber sich mit der stellenweise völlig fehlgeleiteten Entwicklungshilfe in Afrika auseinanderzusetzen, ist ein anderes Thema. Es ist spannend zu sehen, ob den Stämmen in den Dörfern am Omo und in anderen südlichen Teilen Äthiopiens die Gratwandlung zwischen dem Erhalt ihrer Traditionen und dem Schritt in die Moderne gelingt.

 

 

Auf dem Weg von Turmi nach Abar Minch bietet es sich an am Donnerstag in Key Afer den Markt zu besuchen. Drei verschiedene Stämme treffen sich hier, um ihre Waren und die neusten Informationen auszutauschen: Ari, Benna und Surma.

 

 

Ein buntes Treiben herrscht und von der aus Reifengummi gefertigten Sandale bis zum Ochsen kann man hier alles kaufen. Der Viehmarkt ist natürlich spannend. Wir lassen uns zeigen, wie die Tiere gewogen werden und man erklärt uns, wieviel welcher Stier wert ist. Wir kaufen einem kleinen Mädchen auf dem Markt Schuhe, weil sie bisher keine besitzt und decken uns mit ein paar Souvenirs ein.

 

 

Beim Handeln stehen sich der Verkäufer und ich in nichts nach. Am Ende sind wir beide zufrieden. Auf dem Markt geht es an diesem Tag verhältnismäßig ruhig zu, da zudem noch der Feiertag des Erzengel Gabriel ist, und sich diejenigen, die sich zum äthiopisch-orthodoxen Glauben bekennen, in der stundenlangen Zeremonie in der Kirche aufhalten.

 

 

Nach einer gemütlichen Mittagspause setzen wir unsere Reise nach Abar Minch am Chuma-See fort. Wir sind in der Paradise-Lodge untergebracht, angeblich eine der besten Lodges des Landes. Vielleicht liegt es daran, dass unsere Unterkunft etwa zehn Minuten Fußmarsch von der Rezeption entfernt liegt und wir nur auf einen Bretterverschlag und einen Stacheldrahtzaun blicken, vielleicht liegt es auch daran, dass im Zimmer ausdrücklich vor Kakerlaken gewarnt wird, jedenfalls können wir auch nach dem ersten Bier noch keinen so rechten Gefallen an der paradiesischen Lodge finden, die eigentlich von der Rezeption und dem Restaurant aus einen tollen Blick auf den See bietet.

 

 

Viele Familien, bei denen ein Elternteil aus Äthiopien stammt, verbringen hier die Weihnachtsferien und es ist durchaus verständlich, dass man uns für unseren 1-Nacht-Aufenthalt nicht gerade das beste Zimmer reserviert hat. Tesfaye hatte schon am Nachmittag vorgeschlagen, uns das beste Fischrestaurant der Stadt am Abend zu zeigen und wir waren froh, dass wir seinen Vorschlag angenommen hatten. Das ausschließlich von Einheimischen besuchte Lokal Soma war einfach, aber man konnte draußen sitzen und was uns dann auf den Tisch gezaubert wurde, war einfach unglaublich und vor allem total köstlich. Einmal mehr war es gut, unserem professionellen Driverguide zu vertrauen. Manchmal hatten wir wirklich den Eindruck, dass er uns jeden Wunsch von den Augen ablas.

 

 

Am nächsten Morgen wollten wir auf dem Lake Chamo zum sogenannten Crocodile-Market fahren, den wir uns ursprünglich tatsächlich als Verkaufsplatz für Krokodile vorgestellt hatten, was ja eigentlich aber wenig Sinn macht. Tatsächlich handelt es sich um einen sonnigen Treffpunkt am Ufer des Sees für die 10.000 Krokodile, die in dem leicht salzhaltigen Gewässer beheimatet sind und jedes Jahr zwischen acht und zwölf Fischer auffressen. Touristen passiert aber nichts, da selbst die Krokodile in Äthiopien gastfreundlich sind, wie man uns augenzwinkernd glaubhaft versicherte. Aber da es zunächst kein Boot für uns gab, bzw. keinen Bootsführer dafür, dauerte es ein bisschen bis wir losschippern konnten.

 

 

 

Aber das Warten hatte sich gelohnt. Hippos und unzählige Krokodile, fast zum Greifen nah, erwarteten uns und beäugten uns träge, als wir uns mit unserem kleinen Boot näherten. Tom, unser Local-Guide erzählte uns während der knapp zwei Stunden dauernden Fahrt Interessantes zu der Krokodil-Population, wies uns auf die Maribus hin, die in den Bäumen standen, zeigte uns Fischadler und das eine oder andere wackelnde Ohr eines abgetauchten Hippos.

 

 

 

 

 

 

Wie so oft auf dieser Reise mussten wir feststellen, dass es auf eigene Faust kaum möglich ist, all diese Aktivitäten zu unternehmen. Erst muss in einer versteckten Ecke, nach einer zehn Minuten dauernden Fahrt auf einer nicht ausgeschilderte Sandpisten der Eintritt für den Nationalpark gekauft werden, dann geht es zurück in die Stadt zum Büro der Schiffskooperation, dann zum See zum Bootsanlegesteg, der allerdings ab und an verlegt wird… Selbst Tesfaye muss sich hin und wieder durchfragen.

 

 

Nach diesem erholsamen Bootsausflug geht die Fahrt auf einer ausgesprochen abwechslungsreichen Strecke etwa 240 km nach Hawassa. Wir passieren Dörfer, Städte und Landschaften – man wird nicht müde, aus dem Fenster zu sehen. Überall wird etwas verkauft: Hühner, Mango, Bananen, Avocados etc. Obwohl wir nun schon 14 Tage in Äthiopien unterwegs sind, gibt es jeden Augenblick Neues oder Interessantes zu sehen. Je näher wir uns Addis nähern – und wir sind jetzt auf der Haupt-Nord-Süd-Achse des Landes unterwegs – umso umtriebiger wird es auf den Straßen. Oft geht es nur eingeklemmt zwischen Rinderherden, Eselkarren, Bananenlaster und Fußgänger auf der fünften Spur für uns vorwärts. Die letzten Tage haben Tesfaye die vielen unbefestigten Straßen und Schlaglöcher einiges an Fahrkunst abgerungen, jetzt sind es eher die anderen Verkehrsteilnehmer.

 

 

 

Aber es ist immer etwas los – entweder auf der Straße oder bei uns im Auto, wo über Gott und die Welt diskutiert wird. Mal halten wir an, weil wir Obst einkaufen, mal, weil wir einem Bauern beim Dreschen zuschauen, mal, weil wir eine muslimische Familie besuchen, die eine Minute zuvor noch gar nichts von ihrem Glück wusste. Die Kinder bekommen die Bananen, die wir kurz zuvor gekauft haben und schon lassen sie uns mal kurz in ihre Hütte schauen. Ich stell mir vor, wie ein bayerischer Bauer reagiert, wenn plötzlich zwei afrikanische Touristen bei ihm im Hof stehen. Tesfaye hat laufend spontane Einfälle und nie kann ein Äthiopier seinem Charme widerstehen. Der Mann ist einfach ein Glücksgriff für uns.

 

 

Hawassa und das Haile Resort

Unterkunftstechnisch erwartet uns in Hawassa eines der Highlights unserer Reise: Das Haile-Resort, gebaut von der äthiopischen Lauflegende Haile Gebreselassi und ein absolutes Luxus-Resort. Wir kommen uns schon fast fehl am Platz vor mit unseren eingestaubten Klamotten, da sich hier die Äthiopische Upperclass eingemietet und auch ziemlich herausgeputzt hat. Aber wir genießen das schöne Hotel, den Blick auf den Hawassa-See und die heiße Dusche natürlich sehr.

Hawassa gilt als eine der schönsten Städte des Landes, ist Universitätsstadt und wächst unaufhörlich. Als Verwaltungsstadt für die südlichen Territorien hat sie außerdem in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Wir fahren gleich am Morgen zum Fischmarkt, wo sich im Laufe des Vormittags die über 280 offiziellen Fischer, die auf dem Hawassa-See zugelassen sind, mit ihrem Fang einfinden. „Fish“ so stellt sich unser Guide mit Rastafrisur vor, der uns zunächst was von Liebe und Gott erzählt. Was ist das denn für ein schräger Vogel? Aber er hat durchaus was zu erzählen, wie sich herausstellt. Der Fischmarkt unterscheidet sich völlig von allen Fischmärkten, die ich bisher gesehen habe. Geradezu beschaulich geht es dort zu.

 

 

 

 

In der einen kleinen „Halle“ werden die Telapia-Fische filetiert und auf Plastiktellern schön drapiert, um anschließend gleich roh vor Ort von den Einheimischen, die zum Fischmarkt kommen, zum Frühstück verspeist zu werden. Sieht alles superlecker aus. An anderen Stellen werden die Fische ausgenommen und unzählige Maribou-Störche lauern schon auf den Fischabfall. Eine bizarre Szenerie mit den großen Vögeln, die zwischen den Fischern umherstaksen. Wir spazieren mit Fish noch durch einen kleinen Park an der Promenade des Sees, wo es diverse Vogelarten und Affen zu beobachten gibt.

 

 

So schräg ist er eigentlich gar nicht. Als er uns dann von seiner Guide-Association erzählt, für die er arbeitet und die den Namen „Ethiopien Boys“ trägt, ist man dann doch angesichts des bildhübschen Rastaman ein wenig irritiert…

 

 

Wenige Kilometer von Hawassa entfernt liegt Shashemene, die Hochburg der Rastafaris in Äthiopien. Noch heute pilgern Anhänger von Bob Marley und Kaiser Haile Selassie zu deren Geburtstagen jährlich in den eher hässlichen Ort. Wir besuchen einen richtigen Rastafari, Ras Bandy, der eine kleine Banana Art Galerie hat, und mit einigen Kunstpreisen ausgezeichnet wurde. Seine Werke sind überschaubar und werden ausschließlich aus Bananenblättern angefertigt.

 

Baden am Langano See

Es sind nur ein paar Kilometer bis zur Sabana Lodge am Langano-See. Wir übernachten heute in diesem kleinen Paradies und weitläufigen Areal. Von den Liegestühlen auf der Terrasse der Bungalows hat man einen wunderbaren Blick auf den See, dessen Wasser aufgrund der vielen Sedimente eine braun-rosa Farbe bietet. Der Langano-See ist der einzige Badesee in Äthiopien – ohne Krokodile und Bilharziose-Gefahr. Der kleine 200 m lange Strand mit Bootsverleih, Strandbar und Liegestühlen zieht Äthiopische Großfamilien am Wochenende aus Addis an. Hätten wir im Vorfeld gewusst, dass es eine solche Idylle in dem Land gibt, hätten wir unsere Ruhephase wohl hier eingeplant und somit einen Reisetag, Klimawechsel und Kulturschock auf Zanzibar vermieden. Wir wären gerne länger in der Sabana Lodge geblieben.

 

 

Wieder einmal heißt es früh raus am nächsten Morgen, da wir sehr zeitig im nahen Abiyata-Shala-Nationalpark sein wollen. Leider gibt es nicht mehr allzu viele wilde Tiere hier, da wie so häufig in Äthiopien der Nationalpark von der Regierung so gut wie nicht geschützt wird. Viele der im Park lebenden Menschen sehen die wilden Tiere als wenig schützenswert an und verteidigen verständlicherweise ihr Vieh dagegen. So freuen wir uns über ein paar Strauße, Wildschweine und Antilopen, während wir mit einem netten Scout – ausnahmsweise unbewaffnet – durch einen kleinen Teil des Parks streunen.

 

 

 

 

Später fahren wir mit dem Jeep noch direkt an den Abiyata-See heran, der als Lebensraum für Flamingos und Pelikane gilt. Zweitere waren heute nicht zugegen, aber die Flamingos boten mit Hilfe des Scouts, der sie hin und wieder unter Einsatz seines ganzen Körpers aufscheuchte, eine gute Show wenn sie farbenprächtig ein paar Runden über dem See drehten.

 

 

 

 

Heiße Quellen besichtigen wir auch noch, wo ein Stamm der Oromo gerade mit seiner Kamelherde vorbeizieht und außerdem Bade- und Waschtag ist. Das Wasser brodelt und kommt 95 Grad heiß aus dem Wasser. Kurz bevor es in den See fließt, hat es immer noch gute 40 Grad. Der Shala-See, ein weiterer der sieben Rift-Valley-Seen trocknet unaufhörlich aus, da die Regierung hier seit Ende der 90er Jahre Sodaasche abbaut und damit – kurzsichtig wie so häufig – den natürlichen Lebensraum von vielen Vögeln zerstört und auch die Fischpopulation völlig ausgerottet ist.

 

 

 

 

Wir wollen an dem Tag noch nach Woliso in Westäthiopien in der Nähe des Wenchi-Kratersees. Erfreulicherweise meint Tesfaye, dass es eine neue Verbindungsstraße gibt, sodass wir nicht nur auf den weißen zarten Linien fahren müssen, die ich auf meiner Landkarte entdecke. In der Tat kommen wir sehr zügig voran und erneut treffen wir auf eine fantastische Landschaft bis in 3.000 m Höhe mit abwechslungsreicher Landwirtschaft, idyllischen Dörfern, bunten Märkten und interessanten Gesichtern.

 

 

 

 

Da unser „King of the Road“ mal wieder alle kennt, bekommen wir von einem Bauern als Wegzehrung geröstetes Getreide geschenkt und bei anderen schauen wir mal kurz in deren Hütte vorbei. Außerdem treffen wir endlich auf den kleinen Teil des Rift Valley, wo der leckere Wein angebaut wird. Weinproben werden allerdings noch nicht angeboten, wenngleich wir am Straßenrand eine kleine Enothek sehen, wo man Wein kaufen kann. Auch sehr imposant sind die kilometerlangen Rosenzuchtbetriebe entlang der Straße, die die Holländer hier betreiben. Tesfaye sagt, man kann hier gutes Geld verdienen – klar, mit dem Einatmen von Pestiziden, die in Europa längst verboten sind.

 

 

 

 

Am frühen Nachmittag erreichen wir die Negash-Lodge in Woliso. Tesfaye hat uns schon angekündigt, dass vermutlich aus unserem Ausflug an den Wenchi-See nichts werden könnte, da es zu politischen Unruhen kam und der Park geschlossen ist. Am Tag zuvor war ein Jeep mit Steinen beworfen worden, da es aufgrund eines Todesfalls mit einem Deutschen im Norden von Äthiopien in der Danakil-Wüste vor einigen Wochen nun immer wieder zu Zusammenstößen zwischen der Regierung und gewissen Stämmen kommt, die mit der politischen Situation unzufrieden sind. Ein Thema, über das man mit Tesfaye stundenlang diskutieren kann, zumal ihm die Entwicklung eines professionellen Tourismus in seiner Heimat sehr am Herzen liegt, die aber durch die bürokratische und korrupte Administration blockiert und behindert wird.

 

 

 

Tatsächlich stellt sich heraus, dass der Park auch am nächsten Tag geschlossen bleibt. Also machen wir uns einen netten Nachmittag in unserer Negash-Lodge, die ebenfalls wieder Anziehungspunkt für viele Äthiopier ist. Obwohl sie ja keinen Jahreswechsel haben – der erfolgt erst im September – haben sich doch einige das Wochenende eine Auszeit in der netten Lodge gegönnt, wo alle Häuschen im Stil verschiedener Volksgruppen errichtet sind. Wir wohnen in der Afar-Hütte – wenn wir schon nicht zu den Afars und in die Danakil-Wüste aus Zeitmangel reisen konnten, so übernachten wir wenigstens in einer ihrer Unterkünfte.

Der Silvesterabend wir relativ unspektakulär, da die vielen Menschen, die sich am Nachmittag noch in unserer Lodge getummelt haben, am Abend spurlos verschwunden sind. Und die Affen, ebenfalls zahlreich auf dem Gelände vertreten, haben sich auch schon zur Nachtruhe zurückgezogen. So sind wir eigentlich die einzigen Gäste im Restaurant und unsere gute Flasche Rift Valley schaffen wir nur bis zur Hälfte, als so langsam die Lichter gelöscht werden. Was soll’s – dann gehen wir halt um zehn ins Bett. Das Neue Jahr läuft uns ja nicht davon.

Zurück in Addis

Am nächsten Morgen hat sich an der politischen Lage nichts geändert. Der Park bleibt geschlossen, die Banken auch. So muss ich Tesfaye erst einmal ein bisschen Geld leihen, damit er unsere Hotelrechnung bar bezahlen kann. Der Weg führt uns heute direkt nach Addis. Wir brauchen keine zwei Stunden dazu. Wir wohnen wieder im Hotel Bole Ambassador, das wir ja schon von der Anreise und auch von meinem Zwischenstopp her kennen. Nachmittags treffen wir uns nochmal mit Tesfaye in einer der angesagtesten Kaffeebars Tokoma von Addis. Diesmal hat er seinen Neffen mitgebracht, der gerade aus Kenia zu Besuch ist und auf eine Aufenthaltsgenehmigung für die USA wartet. Aber es sieht schlecht aus und so will ihn „The King of the Road“ selbst ein bisschen unter die Fittiche nehmen und ihn für den Tourismus fit machen. Nachdem wir ja schon die ganzen Tage sehr angeregte Unterhaltungen bezüglich der Entwicklung des äthiopischen Tourismus geführt haben, zeige ich ihm heute Fotos von Jeeps mit Dachzelten, wie sie in anderen Teilen Afrikas genutzt werden. Tesfaye ist begeistert und man merkt, wie er schon wieder Pläne ausheckt, wie das in Äthiopien aussehen könnte.

 

 

Für den Abend wollen uns Zertihun und Tesfaye in eine Show mit Abendessen einladen. Klar kennt man solche Folklore-Shows schon zu Genüge. Wie viele davon habe ich in meiner aktiven Zeit im Tourismus wohl besucht? Was für uns selbstverständlich ist, ist für die beiden ein großes Event. Und tatsächlich wird es ein sehr netter Abend mit meinem letzten Injera-Fastenbrecher-Essen und den Volkstänzen von verschiedenen Stämmen. Schön ist es auch, mit den beiden Menschen den letzten Abend in Äthiopien zu verbringen, die uns doch inzwischen sehr ans Herz gewachsen sind. Die Umarmungen sind herzlich und wehmütig, als uns Zertihun und Tesfaye am Abend in unserem Hotel abliefern.

 

 

Obwohl wir nur so kurze Zeit in Äthiopien gereist sind, fällt der Abschied schwer. Das Land hat all meine Erwartungen übertroffen – bezüglich Landschaft, Kultur, Traditionen und auch bezüglich der Menschen, die uns mit so viel Offenheit begegnet sind – egal ob orthodoxer Christ oder Muslime. Wir hatten mit Tesfaye in der zweiten Hälfte unserer Reise einen Begleiter, der unglaublich professionell seinem Job nachkam und auch menschlich eine große Bereicherung war. Er hat sehr viel zu den unzähligen großartigen Erlebnissen beigetragen, die wir genießen durften. Äthiopien hat so viel Potential und so viele Menschen, die etwas verändern wollen. Bleibt zu hoffen, dass das auch das Regime irgendwann erkennt.

ÄTHIOPIEN – DER NORDEN

Äthiopien? Wie kommt man den da drauf? Da gibt es doch nichts außer Hunger und Wüste?“ Oder „Da würde mir auch was anderes für meinen Urlaub einfallen.“ Aber wie oft hatte ich das schon in den letzten Jahren gehört, wenn ich jemandem von meinen diversen Urlaubsplänen erzählt hatte. Fast schon genervt von den immer gleichen Einwänden, erzählte ich dann im Falle von Äthiopien von der fantastischen Landschaft, der interessanten Geschichte und den faszinierenden Menschen, die man dort erleben kann, ohne jedoch selbst so recht zu wissen, was mich erwartete. Mit den oben aufgeführten Argumenten kann man wohl kaum jemanden von dem Land überzeugen, aber das wollte ich auch nicht. Denn auch wenn sich der äthiopische Tourismus noch völlig in den Kinderschuhen befindet, bzw. einfach nur wenige Menschen wirklich anzieht, wird es doch nie ein Land für Massentourismus werden. Mancher Äthiopier würde es sich wünschen, aber – wie wir aus so vielen Beispielen anderorts wissen – würde es auch diesem Land trotz des erfolgversprechenden Wirtschaftsfaktors nicht gut tun.

 

Äthiopien – Traumreiseziel in Afrika

Obwohl es längst auf meiner Wunschliste weit oben stand, gaben den letzten Anstoß für meine Entscheidung dann die Reiseberichte und die unglaublichen Fotos von Freunden, die bereits mehrfach das Land bereist hatten. Ganz klar ist aber: Äthiopien ist nichts für Afrika-Einsteiger. Meine Freundin Ulrike war nach kurzer Terminabsprache sofort mit von der Partie. Diesmal hatten wir uns sehr zeitig auf das Datum festgelegt, denn bereits im Februar – 10 Monate vor der geplanten Abreise – stiegen die Preise für den Gabelflug innerhalb eines Tages um 150 Euro, was sicherlich auch an dem Datum rund um Weihnachten und Neujahr lag. Ausnahmsweise, weil wir noch eine Woche auf Sansibar am Ende anhängen wollten und eine online-Buchung nicht machbar war, entschieden wir uns, über Travel Overland zu buchen und so schafften wir es,  die Flugbuchung Frankfurt – Addis Abeba – Sansibar – Frankfurt für 800 Euro unter Dach und Fach zu bringen. Die Unterkunft für Sansibar, die Promised Land Lodge im Süden der Insel buchten wir ebenfalls sehr frühzeitig über booking.com, da auch die Zeit nach Neujahr dort schon sehr gut gebucht war und kaum noch bezahlbare Unterkünfte in toller Lage frei waren.

 

 

Mit der Routenplanung ließen wir uns zunächst noch Zeit, allerdings war klar, dass wir uns auch da bald entscheiden mussten, denn Hotels, in denen man gerne bleibt, sind immer noch Mangelware in Äthiopien und vielerorts schnell ausgebucht. Durch Erzählungen von den erfahrenen äthiopienreisenden Freunden war uns auch schnell klar, dass wir die Reise in der Zeit, die wir zur Verfügung hatten, nicht auf eigene Faust machen konnten. Dies ist mit Einschränkungen möglich für Backpacker, die viel Zeit haben, aber uns standen ja nur 18 Tage, in denen wir möglichst viel sehen wollten, zur Verfügung. Selbstfahrern ist in Äthiopien keine Option aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse und mangels Beschilderungen und Pannendiensten. Meine Freunde hatten unabhängig voneinander bei ihrer ersten Reise kleine Agenturen vor Ort aufgetan, mit denen sie dann Jahre später, als sie erneut dort waren, wieder reisten. Wir setzten uns mit beiden Unternehmen in Verbindung und entschieden uns dann für Awura-Tours, deren Preise realistisch und vernünftig schienen. Außerdem gefiel uns die Art und Weise, sowie die Zuverlässigkeit der Kommunikation von Awura. Das Angebot war professionell formuliert, auf unsere Wünsche wurde eingegangen und die vorgeschlagenen Hotels schienen für Äthiopien eine sehr gute Wahl. Der Kontakt war mit der Mitarbeiterin Zertihun sehr persönlich, schnell und auch professionell.

 

In nur sieben Stunden von Frankfurt nach Addis

Am 16.12. ging es dann los. 46 kg Freigepäck für den internationalen Flug wollte ich auf jeden Fall ausschöpfen und bekam von vielen Freunden noch Kleidung und Spielzeug mitgegeben. In Äthiopien kann alles dringend gebraucht werden und die direkte Hilfe ist nun mal die beste, auch wenn der Transport mit der Bahn von Augsburg nach Frankfurt mit 46 kg im wahrsten Sinne des Wortes ein Kraftakt war. Wir flogen mit der Ethiopian Airline, Mitglied der Star Alliance, die mit Recht für sich in Anspruch nimmt, eine der besten Airlines Afrikas zu sein. Sechs Stunden dauert der Direktflug von Frankfurt nach Addis Abeba nur – allerdings war an Schlaf nicht zu denken, denn da der Service bereits auf die afrikanische Langsamkeit einstimmte, wurde uns zwei Stunden nach Abflug das Abendessen serviert, zwei Stunden später das Frühstück und da es sich jetzt nicht mehr rentierte das Licht auszumachen, warteten wir alle müde auf die Landung um sechs Uhr am Morgen bei nur zwei Stunden Zeitverschiebung.

 

 

Die erfolgte mehr als pünktlich und so machten wir uns unausgeschlafen, aber in bester Laune auf den Weg zur Immigration. Ich hatte mein Visum auf dem Postweg bei der äthiopischen Botschaft in Berlin beantragt. Ulrike hatte sich für ein E-Visa entschieden, das seit einiger Zeit online erhältlich ist. Beides hatte problemlos mit kurzer Abwicklungszeit funktioniert. Ein Visum on Arrival wollten wir nicht beantragen, da wir lange Wartezeiten an der Immigration befürchteten, was aber keineswegs der Fall war – hätte ich doch mal diese Variante gewählt… Bei der Einreise machte mich nämlich ein netter Beamter darauf aufmerksam, dass mein Visum nur bis zum 23.12. gültig ist. Wie sich später herausstellte: Bei der Botschaft in Berlin hatte die zuständige Person nicht den 16.12. als Einreisetag, sondern den Tag der Ausstellung als erstmöglichen Einreisetag, den 24.11., eingetragen. Passiert öfter, wie ich später von der deutschen Botschaft in Addis erfuhr. Und damit begann eine Odyssee, die vermutlich manchem weniger Reiseerfahrenen den Urlaub, bevor er überhaupt begonnen hat, stark verleidet hätte. Und ich muss zugeben, mir setzte das Ganze auch zu, zumal wir im Laufe des Tages erfahren mussten, dass eine Verlängerung des Visums nur im Immigration Departement in Addis möglich ist, das natürlich am Wochenende geschlossen war.

 

Addis mit seinen Märkten

Da die Angelegenheit vor Ort nicht zu ändern war, machten wir uns auf den Weg, um uns vor dem Flughafen mit Zertihun zu treffen, die es sich nicht nehmen lassen wollte, uns selbst am Flughafen abzuholen. Sofort ging es mit ihr ins Zentrum von Addis Abeba auf einen der zahlreichen Stadtteilmärkte, auf dem hauptsächlich die landwirtschaftlichen Produkte des Landes wie Tomaten, Salat, Kartoffel und Chilieschoten angeboten werden. Der Wurf ins eiskalte Wasser! Unausgeschlafen, im Visumschock, wurden wir mit der Lebhaftigkeit des morgendlichen Treibens konfrontiert: Menschenmassen, die zentnerschwere mit Früchten gefüllte Körbe auf den Köpfen durch die kaum durchlässige Menge balancieren oder Säcke auf den Rücken schleppen. Hagere Menschen in zerlumpter Kleidung, vom Leben gezeichnete Gesichter, fröhliches Lachen und Ausrufe, den Geruchssinn strapazierende Düfte, anstrengende Beengtheit. Auf einmal von 0 auf 100 – auf einmal mitten in Äthiopien. Der Spaziergang war anstrengend, da man ständig ausweichen musste, um nicht von einem hastenden Korb- oder Sackträger gestreift zu werden oder ihn gar zu Fall zu bringen. Aber er katapultierte uns unversehens mitten ins Leben von Addis Abeba.

 

 

Zum anschließenden Durchatmen ging es zum ältesten Hotel von Addis, dem Taitu-Hotel, benannt nach der Gattin des Gründers von Addis, Menelik dem II. Im Garten, der uns nach dem Marktbesuch wie eine Oase der Ruhe vorkam, gab es nun zunächst ein traditionelles Frühstück mit dem zu allen Mahlzeiten gereichten Brot Injera, das wie die Äthiopier sagen, süchtig macht. Mancher Tourist hat schon nach dem ersten Bissen genug davon, ich hingegen liebe es sofort mit dem säuerlichen Geschmack – und liebe es auch am Ende der Reise noch! Vermutlich bin ich jetzt auch süchtig danach… Eine Sucht, die jedoch ein baldiges Ende nach meiner Rückkehr finden wird, denn das dafür verwendete Getreide Teff wird nur in Äthiopien angebaut und ist bei uns in Europa noch schwer erhältlich.

 

 

Danach Zwischenstopp bei Awura-Tours im Büro und wieder unzählige Telefonate wegen meines Visums. Anschließend rasante Fahrt erneut zum Flughafen, um dort doch noch die Möglichkeit einer Visaverlängerung abzuklären. Man sicherte mir dort von offensichtlich wenig kompetenter Seite unbekümmert zu, dass es kein Problem wäre, ohne Visum im Land zu bleiben und bei der Ausreise dann eine Art Strafe zu bezahlen. Davon riet mir aber die deutsche Botschaft, die ich im Laufe des Tages auch einschaltete, aber dringend ab. Der ausgesprochen hilfsbereite, aber in der Angelegenheit wenig nützliche Attaché meinte, er wolle mich schließlich nicht im Gefängnis persönlich kennenlernen.

 

 

Nach diesem erfolglosen Versuch bummelten wir dann über den Mercato, den größten Markt Afrikas, einem der Highlights bei einem Addis-Besuch. Die Bezeichnung ist noch ein Überbleibsel aus den fünf Jahren Besatzungszeit durch die Italiener, die auch Pizza und Pasta ins Land gebracht haben. Im Vergleich zu der viel kleineren Variante vom Vormittag ging es auf dem Mercato richtig gemütlich zu, als wir am frühen Nachmittag durchschlenderten. Die Hauptbetriebsamkeit schien um diese Uhrzeit bereits etwas reduziert. Hier gibt es nichts, was es nicht zu kaufen gibt – Etwa 100.000 Händler und Marktstände bieten von Gemüse über Kleidung bis hin zu Werkzeugen und Baumaterialien alles an. Eine unglaubliche Geschäftigkeit herrscht hier in den schmalen Marktgassen und nicht nur die Fremdartigkeit der angebotenen Waren, sondern auch die Menschen, die diese Artikel feilbieten, lassen unsere Blicke immer wieder verweilen. Wie alt mögen diese ausdrucksvollen Gesichter wohl sein? – frage ich mich und da höre ich es kichern und die Damen, die uns hier so intensiv und belustigt betrachten, möchten genau dies von uns auch wissen, wie Zertihun übersetzt.

 

 

Nach dem Mercato statten wir Lucy im Nationalmuseum einen Besuch ab. Lange wollen wir uns nicht aufhalten, weil wir inzwischen einfach zu müde sind und uns die durchgemachte Nacht in den Knochen steckt. Aber natürlich muss man sie gesehen haben, vielmehr das, was von unserer aller Vorfahrin noch übrig ist. Der 3,2 Millionen Jahre alte Frühmensch Lucy ist der Beweis, dass die Wiege der Menschheit in Äthiopien liegt. 1974 wurden 42 Knochen von Lucy von einem englischen Forscherteam im Nordosten des Landes gefunden und seit einigen Jahren hält sie nun im Nationalmuseum Hof und empfängt Touristen aus aller Welt.

Entoto – Hausberg von Addis

Zertihun will uns am Ende des Tages noch auf den Aussichtsberg Entoto begleiten, der in der Tat einen tollen Ausblick auf die Stadt bietet und nur einige wenige Kilometer außerhalb der Hauptstadt einen völlig anderen Einblick in das Leben der auf dem Land angesiedelten Äthiopier offenbart. Das Bild wird von armen Menschen geprägt. Uns begegnen vor allem alte oder alt wirkende Frauen, die auf ihren gekrümmten Rücken Feuerholzbündel geschnallt haben, deren Gewicht wir wohl keine zehn Meter tragen könnten, von ihnen aber stundenlang den Berg hinaufgeschleppt werden. Das Sammeln und Tragen von Holz ist nämlich Frauensache. Bei einer netten Familie, die uns in ihrem bescheidenen Heim zu einer traditionellen äthiopischen Kaffeezeremonie einlädt, werde ich auch schon die ersten Stofftiere und Kleidungsstücke los. Nicht nur die Wiege der Menschheit liegt in Äthiopien, sondern auch die Wiege des Kaffees. Er schmeckt fantastisch, nachdem die Bohnen erst gewaschen, dann in einer Metallschale auf dem offenen Feuer geröstet, anschließend mit dem Mörser zerstoßen werden und dann aufgekocht werden. Anschließend wartet man eine geraume Zeit, bis sich das Pulver abgesetzt hat und gießt es dann in kleine Tassen. Leider unvermeidlich wird zu dem köstlichen Getränk auch eine Schale mit Weihrauch angezündet – ob gegen die Fliegen oder weil es so wunderbar riecht, kann uns bis zum Ende der Reise kein Äthiopier wirklich verraten.

 

Lalibela und seine Felsenkirchen

Am nächsten Morgen geht es früh wieder zum Flughafen. Praktischerweise wohnen wir in einem Hotel, das nur wenige Minuten vom Flughafen entfernt ist, im Ambassador Hotel. Von Addis sollte uns der Flug nach Lalibela führen, in den Norden des Landes zu den legendären Felsenkirchen. Nächste Überraschung: Unsere Flüge sind angeblich nicht gebucht. Nach längerem Hin- und Her, einigen Telefonaten und der Bezahlung von 62 Dollar pro Ticket sitzen wir auf den letzten Drücker in der Maschine und werden in Lalibela auch schon von unserem Fahrer erwartet. Zertihun, die wir am frühen Morgen aus dem Schlaf geklingelt haben, ist untröstlich bezüglich des Versehens mit den Tickets, lässt uns den Ticketpreis sofort durch den Fahrer erstatten und verspricht noch vehementer als am Tag zuvor, dass sie sich den ganzen Tag am Montag mit den Kopien meines Reisepasses auf der Einwanderungsbehörde tummeln wird, um zu vermeiden, dass ich selbst einen oder zwei Tage nach Addis fliegen muss, um das Visum zu verlängern. Ich drücke ihr und mir alle verfügbaren Daumen.

Unsere Unterkunft in Lalibela, die Sora Lodge, ist spektakulär und bietet einen sensationellen Blick in eine unglaubliche Landschaft. Eigentlich möchte man zunächst nur auf der Terrasse des Restaurants sitzen und den umwerfenden Ausblick genießen, aber das ist uns noch nicht vergönnt.

 

 

Ein Ausflug zur ca. 30 km entfernten Felsenkirche Yemrehane Kristos steht auf dem Programm. Die Fahrt dahin wird zu unserem ersten gewaltigen Naturerlebnis. Nicht nur die karge Bergwelt ist dabei das Highlight, sondern der Einblick in das dörfliche Leben, das sich uns zweischneidig präsentiert. Zum einen sieht man so viele glücklich wirkende spielende Kinder und lachende Menschen, zum anderen spricht aber aus so vielen Gesichtern das Leid und die Schwere des Lebens und der Armut. Die Zeit der Fahrt, für die 30 km benötigen wir ca. eineinhalb Stunden, wird uns nicht nur durch die beeindruckenden Bilder verkürzt, die an uns vorüberziehen, sondern auch durch die Erzählungen unseres Guides, der über das Leben in dieser Region Äthiopiens erzählt. Auch von seiner Familie berichtet er, von seinen Eltern, seiner Tochter und seiner Frau, die mit 12 Jahren zu seinen Eltern ins Haus zog, weil sie sich da versprochen wurden und sie sich langsam an die neue Familie gewöhnen sollte. Wie schon am Tag zuvor Zertihun, berichtet auch er, wie stark die Menschen von Traditionen und der äthiopisch-orthodoxen Religion geprägt sind. Man mag seine Schilderungen einschätzen wie man möchte, aber deutlich ist auch heute herauszuhören, dass die zum Teil archaischen Strukturen, die Menschen zwar zusammenhalten und moralisch stärken, das Leben jedoch nicht einfacher machen.

 

 

Die Sora Lodge ist sicherlich eine der schönsten Unterkünfte in Lalibela und immer wieder kommen Touristen nur vorbei, um den unglaublichen Ausblick und den Sonnenuntergang zu genießen. Das Essen ist super und wer jetzt schon die Nase voll hat von den zig Varianten von Injera, der kann dort auch mal Spätzle oder ein Schnitzel essen, da die Chefin des Hauses vom Bodensee stammt und die Lodge mit ihrem äthiopischen Mann gegründet hat. Eine große Überraschung ist der äthiopische Wein für uns, der im Rift Valley im Süden des Landes angebaut wird. Vor allem der Weißwein begeistert uns: Chardonnay vom Feinsten, der sich vor den südafrikanischen Weinen keineswegs verstecken muss.

 

 

 

 

Lalibela ist bekannt für seine Felsenkirchen und gilt als Ort der Mythen und des Glaubens. Erneut müssen wir früh raus, da elf Felsenkirchen auf unserem Besichtigungsprogramm stehen und da lässt unser Führer, den man für die Heiligen Stätten auch buchen muss, wenn man ganz individuell reist, nicht mit sich handeln. Stolz erzählt er von König Lalibela, der auf einer Höhe von mehr als 2.500 m in 23 Jahren diese elf Kirchen gebaut hat. Allein hat er dies nicht getan. Ihm halfen nachts Engel, alternativ können es auch ca. 46.000 Arbeiter gewesen sein. So genau möchte sich da der gläubige Äthiopier nicht festlegen. Wir Ungläubigen tendieren eher dazu, die zweite Erklärung als wahrscheinlich zu erachten.

 

 

 

 

 In der Tat sind diese Kirchen faszinierend und einzigartig. Am meisten hat mich die Kirche des Hl. Georg beeindruckt, die sich etwas abseits von der östlichen und westlichen Felsenkirchengruppe befindet und die jüngste der Kirchen von Lalibela zu sein scheint. Von oben kann man sehen, wie sie in Form eines griechischen Kreuzes aus dem Boden geschlagen wurde. Aber letztendlich sind wir doch froh, als wir um Viertel vor zwölf die letzte Kirche absolviert haben, gerade als der dortige Pope klar signalisiert, dass er jetzt gerne seine Mittagsruhe antreten möchte. Das würden wir auch gerne tun, aber immer noch ist nicht geklärt, wie es mit meinem Visum weitergeht. Die Äthiopische Botschaft zeigt sich bei einem Anruf in Berlin wenig kooperativ, sodass ich nun doch langsam ins Auge fassen muss, einen Abstecher nach Addis zu machen – alle Zeichen sprechen dafür, dass ich da nicht drumrumkomme.

 

 

Für mich ist ziemlich nervig, dass mir aufgrund fehlender Internet- und Telefonmöglichkeiten so die Hände gebunden sind und ich wenig selbst recherchieren kann. WLAN ist Mangelware in Äthiopien. Die liebe Zertihun tut zwar ihr Bestmögliches, aber am späten Nachmittag steht fest, dass ich am kommenden Abend nach Addis fliegen muss, am folgenden Tag ins Immigration Office gehe und hoffe, dann am Abend mit dem verlängerten Visum zurückfliegen zu können.

Aber zunächst ist noch ein nachmittäglicher Ausflug zu einer weiteren Kirche in der Umgebung von Lalibela geplant, die außerdem einen sensationellen Ausblick bietet. Ulrike streikt am Parkplatz unterhalb der Kirche und gesellt sich stattdessen zur Dorfjugend, die ihr von ihrem Leben in dem Bergdorf ohne Strom, von ihrem täglichen Schulweg und von ihrer Bücherei, die sie aufbauen, erzählen. Ich stattdessen beiße in den sauren Apfel, obwohl mir 11 Kirchen auch schon gereicht hätten, und mache mich an den Aufstieg, denn der Ausblick lockt doch sehr. Nach ein paar Fotos mit dem Popen, der dort als Einsiedler lebt und mir all seine heiligen Attribute vorführt, steige ich mit meinem Guide wieder ab und nun geht’s auch gleich zurück zu unserer Lodge, weil wir auf gar keinen Fall den Sonnenuntergang auf der Veranda verpassen dürfen. Gekrönt wird dieser Moment von einer Flasche köstlichem Chardonnay, den wir uns auch wirklich verdient haben, nach 12 Kirchen und der scheinbaren Lösung des Visaproblems.

 

 

Bahri Dar am Blauen Nil

Unser Fahrer lässt sich nicht davon abhalten, dass wir am nächsten Morgen schon um sechs Uhr aufbrechen von Lalibela nach Bahir Dar. Zähneknirschend stimmen wir zu. Gott sei Dank ist er hartnäckig. Die ersten Stunden des Tages werden sensationell! Die Fahrt führt zunächst zwei Stunden auf einer Straße, die man zum Teil eher als Maultierpfad bezeichnen muss, hinauf auf über 3.500 Meter Höhe. Wir erleben einen Sonnenaufgang in einer Bergkulisse, die einen sprachlos macht. Untermalt wird diese Szenerie durch die Menschen am Wegesrand und die Augenblicke des Dorflebens, die wir bei der langsamen Fahrt wahrnehmen. Archaische, fast biblisch anmutende Motive ziehen wie eine Art Film an uns vorüber – es ist faszinierend, ergreifend, wunderschön und macht betroffen. Wie schwer sind diese Leben? Zu dieser frühen Stunde wirken die Bilder noch eindrucksvoller.

 

 

 

 

 

Irgendwann wird die Straße dann besser als wir auf den sogenannten „Highway“ abbiegen. Es wird am Straßenrand bunter mit Märkten, die wir passieren und Dörfern, in denen der Alltag stattfindet. Mit zunehmendem Tag und zunehmender Besiedelung scheint auch das Leben für die Menschen leichter zu werden. Von der Hauptstraße geht es einen kurzen Abstecher nach Awra Amba, einem Dorf, von dem ich schon gelesen hatte und das nach der dort gelebten Philosophie fast einem Kibuzz gleicht. In Awra Amba gibt es keine Religionen und die Menschen leben in Frieden zusammen, ohne Zwangsheirat und ohne Beschneidung. Der Gründer der Community Zumra Nuru wurde inzwischen mit der Doktorwürde h.c. ausgezeichnet, da sein Dorf sich als vorbildliche Einrichtung sieht. Bei mir bleiben nach dem Besuch starke Zweifel, ob die heile Welt tatsächlich reell ist. Jegliche dazu konsultierte Literatur bestätigt die Ambivalenz des Vorzeigeprojekts, das sich zum Teil aus Spenden finanziert.

 

 

Gegen Mittag erreichen wir Bahir Dar, das als die schönste Stadt Äthiopiens gilt. Als mediterran wird die Stadt auch häufig bezeichnet und das hat sie vor allem dem Blauen Nil und dem Tana-See zu verdanken. Der Blaue Nil entsteht aus dem Tana-See heraus, verläuft 800 km auf äthiopischem Boden und vereinigt sich dann im Sudan mit dem Weißen Nil. Und wie wir da so beim Mittagessen am Ufer des Nils sitzen, wenige Meter von unzähligen Pelikanen, Kormoranen und Ibissen entfernt, eingerahmt von Astern und Kapuzinerkresse, mag man es nicht glauben, dass man in Äthiopien weilt. Der Kellner erzählt uns, dass sein Bruder seit einem Jahr in Deutschland ist und dass es ihm sehr gut gefällt. Er selbst hat Elektrotechnik studiert, findet aber keine Arbeit in seinem erlernten Beruf. Solche Geschichten haben wir schon häufig gehört. Ausgebildet sind viele junge Leuten sehr gut in Äthiopien, aber es gibt keine Arbeit für sie. Immer wieder hören wir dabei, dass dies am politischen System und an der Korruption im Lande liegt, was sich, je länger wir im Land sind, auch in unseren Köpfen manifestiert. So viele junge Äthiopier sind voller Pläne und Ideen und werden doch in ihrem Engagement durch die Realität völlig ausgebremst.

 

 

 

Wir machen noch eine kleine Stadtrundfahrt, fahren auf einen Aussichtsberg mit Blick auf den See und den Nil und passieren die Sommerresidenz des legendären, 60 Jahre an der Macht verweilenden, letzten Kaisers von Äthiopien, Haile Selassi. Für mich wird es nun Zeit, zum Flughafen aufzubrechen. Ulrike fährt danach zu unserer am Nilufer gelegenen Unterkunft Abay Minch zurück und freut sich auf einen entspannten Abend.

 

 

Ich lande 45 Minuten nach dem Start in Bahar Dar in Addis. Netterweise holt mich jemand vom Hotel am Flughafen ab. Auf der Fahrt zum Hotel diskutieren wir über den deutschen Fußball, den die Äthiopier lieben. Auf die Frage, ob sie denn eigentlich auch bei der WM mit dabei sind, erfahre ich, dass es nicht mal zur Teilnahme am Afrika-Cup reicht. Erschüttert stellt der junge Mann fest: Wir haben Hunderte von Weltklasseläufer in Äthiopien und keine elf Männer, die Fußball spielen können.

Erlebnisse mit der äthiopischen Bürokratie

Wenn ich behaupte, in dieser Nacht wirklich gut geschlafen zu haben, dann wäre es wohl deutlich übertrieben. Zertihun holt mich pünktlich am Hotel ab, um halb neun sind wir im Immigration Office. Wie es jemals ein Nicht-Äthiopier hier geschafft hat ohne fremde Hilfe an eine Visaverlängerung zu kommen, ist mir ein Rätsel. Wir wurden von Pontius zu Pilatus geschickt und die allseits bekannte Behördenwillkür in Äthiopien war deutlich zu spüren. 15 Minuten brauchte der Hauptsachbearbeiter schon um herauszufinden, welche Nationalität ich habe. Fragen wollte er weder Zertihun noch mich und daher war er mit meinem Europäischen Union Pass völlig überfordert. Gott sei Dank kam ihm dann doch irgendwann mal ein Kollege zu Hilfe. Der gesamte Prozess wurde dann insgesamt ein wenig beschleunigt, als eine Horde chinesischer Arbeiter einfiel, im gleichen Anliegen wie ich. Und da schien es dann doch angebracht, ein wenig Gas zu geben und mir die 150 Dollar für das Expressvisum etwas schneller abzuknöpfen. Dafür sollte ich das Visum aber auch noch am gleichen Tag um 16 Uhr bekommen, was für meinen Rückflug enorm wichtig war. Die Endstemplerin ließ sich zu keinem früheren Termin bewegen, da sie erst ihren Tee und ihr Schmalzgebackenes zu sich nehmen musste und sich ungern davon durch unsere Eile stören lassen wollte. Dass wir alle Schreibtische, die wir passieren mussten, überhaupt fanden, war nur der Tatsache zu verdanken, dass Zertihun schon am Montag alles erkundet hatte. Nach eineinhalb Stunden waren wir beide erschöpft, aber glücklich den ersten Schritt wohl bravourös gemeistert zu haben. Zwischendurch teilte Zertihun großzügig ihr neu erworbenes Wissen im Immigration Office mit anderen Auslands-Äthiopiern, die hilflos im Bürolabyrinth umherirrten, und obwohl der Sprache meist mächtig, ebenfalls eine Odyssee absolvierten. Meinen Vorschlag, dies als neue Geschäftsidee einzusetzen und einen internationalen Info-Stand gegen eine kleine Auskunftsgebühr im Office einzurichten, fand Zertihun durchaus spannend.

 

 

Jetzt war erst einmal Frühstück angesagt.  Injera fir fir – das äthiopische Nationalgericht zum Frühstück, zu Mittag und zu Abend. Ich könnte es auch zu jeder Tageszeit essen und meine Begeisterung ist immer noch ungebrochen. Wir nehmen diesmal den Minibus, da Zertihun der Meinung ist, dass ich nun gut auch ein paar intensivere „local“ Erfahrungen machen kann. Wir quetschen uns auf die schmalen Sitze und sofort möchte der Geldeinsammler im Minibus wissen, woher ich komme. Viele Ausländer nutzen den Service normalerweise sicher nicht. Bei Deutschland fällt ihm natürlich unmittelbar Fußball ein und umgehend teilt er mir mit, dass er gerne in meinem Koffer mit mir zurückreisen möchte. Der ganze Bus lacht, da er noch ausführt, dass er als mein Zähneputzer ständig zu meinen Diensten wäre, wenn ich ihn einpacke. Die Fahrt mit einem Minibus ist wesentlich günstiger als mit dem großen Bus, weil er häufiger hält und kostet umgerechnet sieben Cent. Addis hat seit Kurzem auch eine Tram, die natürlich die Chinesen gebaut haben, wie fast die gesamte Infrastruktur im Land, aber es gibt nur zwei Linien und meistens pro Tram nur einen Wagen, was dazu führt, dass das im Grunde eigentlich effiziente Verkehrsmittel wenig dazu beitragen kann, die Verkehrssituation in der Stadt zu verbessern. Wir nehmen den Dienst der Minibusse noch häufig an diesem Tag in Anspruch. Beim gemeinsamen Frühstück erzählt Zertihun über ihr Leben. Sie erzählt von ihrer Heimat auf dem Land, von ihrem Leben in Addis und von ihrer Studentenzeit in Hawassa. Allein diese gemeinsam Zeit, die vertraulichen Gespräche und der ehrliche Einblick ins tägliche Leben war den Ausflug nach Addis wert. Sie schlägt vor, in den früheren Palast von Haile Selassi zu fahren, wo heute das ethnologisches Museum und Teile der Universität untergebracht sind. Das passt bestens, lese ich doch gerade eine Biografie des letzten äthiopischen Kaisers, die von seinem Großneffen, der seit den 70er Jahren in Deutschland lebt, verfasst wurde.

Ein sympathischer junger Kerl führt uns beide durch das Museum und erzählt spannend, was es dort zu sehen gibt. Als wir uns schon eine halbe Stunde kennen, berichtet er mir auch von seiner Zeit als Lehrer bei den Afars, einem als besonders kriegerisch eingeschätzten Volksstamm im Nordosten Äthiopiens, dort wo sich auch eine der Hauptattraktionen des Landes befindet, die Danakil-Halbwüste mit einer der tiefsten Stellen der Erde. Es klingt unendlich spannend und ist auf jeden Fall nochmal eine Reise nach Äthiopien wert. Allein die Fotos, die mir davon gezeigt werden, sind so faszinierend.

Um 15.30 Uhr sind wir bei der Immigration und um 16 Uhr halte ich fast schon überraschend schnell und problemlos, überglücklich meine Visaverlängerung in Händen. Drei Stunden später bin ich zurück in Bahir Dar, wo mich Ulrike am Flughafen abholt. Von unserer Unterkunft, der Abay Minch Lodge bekomme ich relativ wenig mit, da es bei meiner Rückkunft bereits dunkel ist. Aber die Bungalows sind in einer schönen Anlage platziert, allerdings wirkt das Restaurant ein wenig trostlos und verlassen. Ulrike hat sich den Tag bei einer kleinen Wanderung zu einem Wasserfall des Blauen Nils und dem Marktbesuch in Bahir Dar vertrieben und erzählt am Abend ganz begeistert von der Hauptstadt der Amharen.

 

 

 

 

Der Tana-See mit Klöstern und Nilpferden

Den Ausflug zum Tana-See hatten wir um einen Tag verschoben, daher war unser Programm am kommenden Tag ein wenig gedrängt. Um sieben gings nun schon wieder los mit einer kurzen Fahrt zum Bootsanleger. Sematcha, ein unglaublich netter junger Äthiopier, der sich gerade mit seinem Boot selbständig gemacht hatte, brachte uns an diversen Inseln vorbei, die alle mit sehenswerten Klöstern bestückt sind, zur Halbinsel Zeghie.

 

 

 

Dort erwartete uns ein Äthiopischer Dandy mit Schmuck behangen und goldener Sonnenbrille dekoriert, der unser Guide beim Kloster Ura Kidane Mehret sein sollte. Das Kloster ist mit seinen Malereien, die den Gläubigen das Christentum erklären, wirklich ein Kleinod. Wir hatten zudem noch Glück, da gerade anlässlich des Feiertags des Erzengels Michael eine Messe stattfand. Eine Messe ist eine sehr langwierige Geschichte im äthiopisch-orthodoxen Glauben, aber dafür haben die Mönche und zukünftigen Mönche auch einen Stab, auf den sie sich zum Ausruhen lehnen können, hin und wieder wird er auch zum Taktangeben verwendet.

 

 

 

 

Nach dem Kloster machten wir noch einen Abstecher zum angeschlossenen Museum. Danach ging es durch eine inzwischen fast vollständig aufgebaute und bestückte Ladenstraße zurück zum Boot. Was für ein Aufwand für die paar Touristen, die hier hin und wieder vorbei kommen. Unser Guide machte uns unmissverständlich darauf aufmerksam, dass Deutsche Gäste hier immer kaufen. Als wir die Phantasiepreise der Waren hörten, war uns auch klar, womit er seine dandyhafte Ausstattung finanzierte. 100%ig war er zu einem großen Teil umsatzbeteiligt. Da wir uns weniger kauflustig zeigten als angeblich alle unsere Landsleute, gingen wir nicht gerade als gute Freunde auseinander.

 

 

 

Um so mehr freuten wir uns, dass uns der so engagiert wirkende Sematcha am Steg erwartete und uns zu den Nilpferden bringen wollte, die sich am Ufer des Lake Tana tummelten. Wer mich schon ein paar Jahre kennt, weiß um meine traumatischen Erlebnisse mit Hippos, aber Sematcha versicherte uns, dass die hier lebenden Exemplare sehr friedlich wären. Es war beeindruckend die Vogelwelt am Ufer des Sees zu beobachten und natürlich auch die gewaltigen Nilpferde, die ja als die gefährlichsten Tiere Afrikas gelten.

 

 

 

 

Allerdings zeigten sie doch meist nur ihre kleinen Öhrchen, was plötzlich den afrikanischen Ausdruck verständlich machte: „Das sind nur die Ohren des Nilpferds“, womit in unserem Sprachgebrauch die Spitze des Eisbergs gemeint ist. Ich söhnte mich in respektvollem Abstand mit den Tieren aus, indem ich sie nach vielen Jahren erstmalig wieder als possierlich bezeichnete und so machten wir uns wenig später auf den Weg nach Gondar.

Gondar mit seinen Schlössern

180 km Landstraße erwarten uns, die wir aufgrund des guten Zustands der Straße bis 14 Uhr zurückgelegt haben. Die Landschaft und die Menschen, denen wir begegnen, sind wie immer faszinierend. Nach einer Stärkung im Restaurant „4 Sisters“ wartet unsere weibliche Führerin – eine Premiere – auf uns im Gemp von Gondar, einem riesigen Areal von Schlössern, die ab dem 17. Jahrhundert hier von diversen Königen gebaut wurden.

 

 

Begeistert waren wir hier unter anderem davon, dass es damals schon Dampfbad und Kosmetikraum gab – einen kleinen Wellnessbereich sozusagen. Während unsere Könige noch in ihren eiskalten Schlössern vor sich hinfroren, wellnesste der äthiopische Adel bereits schon. So reizend wie unsere 22 jährige Führerin war, so schlecht war allerdings ihr Englisch und es kostete uns einige Mühe ihren Ausführungen zu folgen. Zu unserem Entsetzen teilte sie uns mit, dass sie auch noch Deutsch und Spanisch lernen wolle, um in diesen Sprachen Führungen durchzuführen. Da sie bereits in ihrem vierten Englisch-Jahr war, waren wir überglücklich, nicht in ihrem ersten Deutsch-Jahr gelandet zu sein. Nach den Schlössern geht es weiter zur Kirche Debre Berhan Selassie, wieder mit wunderbaren Wandmalereien.

 

 

 

Wir tragen Hose und T-Shirt, unsere Guidin verhüllt sich, aber meint, dass das keine Rolle spielt und so dürfen wir eintreten. Einzige Bedingung ist, dass wir am Vortag nicht mit unserem Partner geschlafen haben und nicht unsere Tage haben… Die Bedingungen scheinen erfüllbar. Gott sei Dank sind wir in Bezug auf bebilderte Kirchen inzwischen in der äthiopisch-orthodoxen Religion so bewandert, dass wir unsere Führerin auch ohne Worte verstehen – besser als mit Worten.

 

 

Die letzte Station für den heutigen Tag ist das Wasserschloss von Fassidilas. Swimmingpool nennen die Äthiopier das riesige Taufbecken, an dem am 19. Januar eines jeden Jahres ein großes Tauffestival stattfindet. Gott sei Dank hatte uns am Morgen Sematcha, der aus Gondar stammt, schon davon erzählt und auf seinem schicken Smartphone auch Fotos gezeigt, sodass wir jetzt annähernd erahnen können, was uns unsere liebreizende Betania darüber mitteilen möchte. Tatsächlich sprachen auch in diesem Fall Bilder wieder mehr als 1000 – in unserem Fall nur vereinzelte – Worte. Es muss ein tolles Event sein, wenn sich die Gondaer Jugend in die Fluten des Taufbeckens stürzt, nachdem alle Täuflinge vom Bischof mit dem Sakrament versehen wurden.

 

 

Unser Fahrer möchte uns noch zwei Märkte zeigen, aber wir streiken und so fährt er uns stattdessen in unser Goha-Hotel, hoch über der Stadt. Es ist das Beste, was die Stadt zu bieten hat: Der Ausblick, der Sonnenuntergang, das Essen und der Wein passen – mehr brauchen wir an diesem Abend nicht mehr.

 

Das Dach von Äthiopien: Der Simien-Nationalpark

Am nächsten Tag steht der Simien-Nationalpark auf dem Programm. Für mich eines der Highlights der Reise aufgrund der Dscheladas, der Blutbrustpaviane, die dort noch zahlreich zu sehen sind und natürlich aufgrund der spektakulären Ausblicke, die sich einem bieten. Wir müssen wieder früh los, denn bis nach Debark, wo die Parkverwaltung ihren Sitz hat, sind es zwei Stunden. Nachdem wir dort registriert wurden und unseren Guide Teddy aufgelesen haben, geht es nochmal eine gute Stunde auf äußerst schlechten Straßen in den Park hinein.

 

 

Begleitet werden wir von einem „Wächter“, der mit seiner Waffe ein wenig überdekoriert wirkt und uns vor bösen Menschen und bösen Tieren bewahren soll. Inständig hoffen wir, dass er seine Waffe nicht schon entsichert hat bei den vielen Schlaglöchern, die wir nun passieren. Aber gleichzeitig erfahren wir, dass eigentlich nie was passiert, was ja durchaus schon beruhigend ist, sodass der Geleitschutz eher eine ABM-Massnahme zu sein scheint und damit durchaus gerechtfertigt ist. Teddy plaudert munter drauf los, erzählt von seinen mehrtägigen Trekkingtouren, die er gerne begleitet, erzählt über den Park, die Tiere und die Pflanzen und lenkt so von dem Hindernis-Parcours etwas ab, den wir absolvieren.

 

 

 

Plötzlich sitzt ein Pavian an der Straße, wir halten an und wenige Meter weiter auf einer Wiese treffen wir auf einen riesigen Pavianclan, der da friedlich grast. Mit meinen Erlebnissen mit den Pavianen verhält es sich ungefähr so wie mit dem Nilpferdtrauma. Aber auch dieses Trauma soll heute geheilt werden. Die Blutbrustpaviane sind nämlich im Gegensatz zu ihren Artgenossen friedliche Vegetarier und begnügen sich damit, das Gras mit seinen Wurzeln auszurupfen und zu verzehren und ab und zu ein bisschen Ungeziefer aus dem Fell ihrer Freunde rauszufischen. Man könnte ihnen stundenlang zusehen, wie sie da friedlich grasen, die Kleinen spielen, ab und zu ein kurzer Krawall ausbricht und dann wieder weitergelaust wird. Sie lassen sich einfach nicht aus der Ruhe bringen. Herrlich – und wir stehen nur zwei Meter daneben.

 

 

Nach diesem Schauspiel möchte Teddy uns 560 m hohe Wasserfälle zeigen und dazu quälen wir uns eine weitere Stunde über die Schlaglochstraßen, die manchmal kaum zu bewältigen sind. Unser geduldiger Fahrer erträgt dies und nicht nur einmal geht es fast nicht mehr weiter.  Wir haben unterwegs immer wieder Stopps, bei denen sich uns Ausblicke bieten, die man einfach nur als gewaltig bezeichnen kann. Ich hab ja schon sehr viel gesehen, aber diese Bergwelt haut einen völlig um. Ich kann es nicht beschreiben und hoffe, dass ein paar Fotos etwas von der Grandiosität widerspiegeln können, die wir live erlebt haben. Dagegen ist der Wasserfall eher unspektakulär. Gut, die Höhe und auch wieder der Ausblick sind fantastisch. Der Wasserfall selbst ist eher ein schmächtiges Rinnsal um diese Jahreszeit. Fast vier Stunden Rückfahrt stehen uns bevor. Teddy mag nichts mehr erzählen, aber immerhin machen wir noch an der höchstgelegenen Lodge Afrikas halt, die Simien-Lodge, das einzige Hotel im Simien-Park. Wenn man keine 180 Dollar pro Nacht ausgeben möchte, bleibt nur noch ein Campingplatz. Von denen gibt es mehrere im Park. Interessehalber lassen wir uns ein Zimmer zeigen. Alles nett, auch ist man dort furchtbar stolz auf das Hotel und beim Preis muss man einfach entscheiden, wenn man im Park übernachten will, ob man nicht doch eher das Zelt vorzieht. Wir gewähren auf der Rückfahrt noch ein paar Einheimischen eine Mitfahrgelegenheit. Man nimmt in Äthiopien immer gerne weitere Fahrgäste mit, da es ja kaum öffentliche Transportmittel gibt und erst recht keine privaten Autos. Gut, dass Ulrike und ich schon seit Tagen einen Schnupfen haben – wir haben am Morgen frisch geduscht. Kann man nicht von allen unseren männlichen Begleitern, die immer mal wieder mit uns ein Stück fahren, behaupten. Als sie aussteigen, bekommt bekommt neben Teddy auch unser bewaffneter Freund von uns Trinkgeld, weil er so gut auf uns aufgepasst hat.

Die heilige Stadt Axum

Nach einer weiteren Nacht in Gondar, führt uns unsere letzte Reiseetappe im Norden nach Axum, ganz im Norden des Landes, nur etwa 30 km von der eritreischen Grenze entfernt. Dazu nehmen wir den Flieger, obwohl es nur etwas mehr als 350 km sind. Aber die Straßenverhältnisse würden daraus mindestens eine Tagesreise machen. Mit einem kurzen Umweg über Lalibela landen wir am späten Vormittag in der heiligen Stadt Axum, wo uns unser Guide und unser Fahrer für den restlichen Tag erwarten. Den Fahrer hatten wir zufällig am Flughafen in Addis eine Woche zuvor kennengelernt und er erinnerte sich sofort wieder an uns – die Welt ist auch in Äthiopien nur ein Dorf.

 

 

 

Unser Guide Menu, ein vor 20 Jahren aus Eritrea Geflohener, zeigt uns zunächst einen Teil des Stelenparks, dem Friedhof der vor- und frühchristlichen axumitischen Herrscher. Die größte Stele ist 33 m hoch und wiegt mehr als 500 Tonnen. Sie gilt als der größte behauene Monolith der Antike. Die kleinen, nicht bearbeiteten Stelen erinnern an Carnac und Stonehenge. Im überschaubaren benachbarten Museum stoßen wir auf einen alten Herrn, der uns die Kostbarkeiten zeigen will und dabei seinen deutschen Wortschatz hervorzaubert. Er hat wohl mit vielen deutschen Archäologen dort gearbeitet und sich dabei ein paar Worte deren Sprache angeeignet. Beim Mittagessen in einem traditionellen Restaurant in Gesellschaft unseres Guides und zahlreicher anderer Einheimischer erfahren wir mehr über die Situation der Eritreer, die in dieser Region einen Teil der Bevölkerung ausmachen.

 

 

Nur wenige Kilometer von Axum entfernt ist eines der größten Flüchtlingslager Afrikas mit 56.000 Flüchtlingen aus Eritrea. Das Grenzgebiet gilt als eines der gefährlichsten des Landes, da Grenzpatroullien versuchen zu vermeiden, dass nachts Flüchtlinge illegal über die Grenze kommen. Dabei wirkt Axum überhaupt nicht wie eine Grenzstadt. Ganz im Gegenteil. Die 60.000 Einwohner zählende Stadt, die ein ausgesprochen hohes Priesteraufkommen hat, aufgrund der Stellung in der orthodoxen Kirche, wirkt sehr wohlhabend. Davon können wir uns auch bei einem abendlichen Spaziergang entlang der Hauptstraße überzeugen, als wir das für uns doch exotisch anmutende Angebot der Geschäfte begutachten, die sich ohne Ende aneinander zu reihen scheinen. Nach einer Stunde Stadtbummel ist man von den vielfältigen Eindrücken und dem Angebot richtiggehend erschöpft.

 

 

Menu erzählt uns beim Mittagessen auch von einer Tradition in Axum, nämlich vom Zitronenwerfen. Einmal im Jahr findet ein Fest statt, bei dem die jungen Männer ihre Auserwählte mit einer Zitrone anschießen können, um zu signalisieren, dass sie ihm gefällt. Ist sie auch der Meinung treten die Familien in die Verhandlungsphase ein. Sehr beruhigt war ich, als ich erfuhr, dass man sich auch entschuldigen und einen neuen Versuch unternehmen kann, wenn man aus Versehen das falsche Mädel angeschossen hat.

Aber bevor wir unseren „Schaufensterbummel“ in Axum antreten können, stehen noch einige Besichtigungen an. Der Weg führt uns zunächst zu den Gräbern der Könige Kaleb und Gebre Maskal. Sie liegen auf einem Plateau, das einen beeindruckenden Blick auf die eritreischen Berge gewährt. Auf dem Weg dorthin machen wir an einem unscheinbaren Häuschen Halt, in dem sich eine Stele befindet, die in drei Sprachen beschriftet ist, in Altgriechisch, in Sabäisch und in Ge ´ez. Diese Stele wurde von drei Bauern in den 70er Jahren auf ihren Feldern gefunden. Erst letztes Jahr hat ein festgefahrener LKW eine Grabkammer entdeckt, als er mit einem Reifen einbrach. Unter der Stadt Axum liegt eine unglaubliche Masse an archäologischen Schätzen, die jedoch nicht gehoben werden kann. Zum Einen fehlt das Geld für Ausgrabungen und zum anderen schweigen die Bauern, die auf ihren Feldern etwas finden, da sie nicht auf Belohnung hoffen können, sondern ihnen lediglich ihr Ackerland genommen wird, um die Funde zu schützen und zu heben.

 

 

Wir sehen auch das legendäre Bad der Königin von Saba, das heute als Wasserreservoir der Stadt dient und in dem nun einige Einheimische ein erfrischendes Bad nehmen. Ob es tatsächlich der sagenumwobenen Königin zuzuschreiben ist, wird jedoch ein Geheimnis bleiben. Genauso verhält es sich auch mit den Ruinen ihres Palastes. Zwar glaubt ein deutscher Archäologe 2008 unter diesen Ruinen den wirklichen Palast gefunden zu haben, aber sehr viel wahrscheinlicher ist es, dass es sich lediglich um ein geräumiges Haus eins Adligen handelt.

 

 

 

Der letzte Programmpunkt des Tages stellt auch den Höhepunkt der Besichtigung von Axum dar, das Areal um die Marienkathedrale. An dieser Stelle stand offensichtlich die erste Kirche Äthiopiens. Die heutige Marienkathedrale wurde in den 60er Jahren von Kaiser Haile Selassie gebaut und hatte wohl damals nicht wenige Gläubige entsetzt, weil sie große Ähnlichkeit mit einer Moschee aufweist. An sich leben die 50 % Orthodoxen Christen und die 35 % Muslime in ganz Äthiopien sehr friedlich seit Jahrhunderten zusammen, aber Axum gilt als wichtigste und heiligste Stadt der Orthodoxen in Äthiopien und wird stark von orthodoxen Gläubigen dominiert. Daher schien eine Annäherung an islamische Architektur doch sehr gewagt. Noch eines war gewagt: Gemäß dem westlich orientierten Kaiser sollten hier Männer und Frauen gemeinsam beten. Aber warum sind denn nun dieser Bereich und die Stadt Axum so besonders heilig? Hier ist gemäß der Äthiopischen Auslegung die Bundeslade beheimatet.

 

 

 

Die äthiopische Geschichte sagt, dass die Königin von Saba nach Jerusalem reiste, um den weisen König Salamon zu besuchen. Bei diesem Besuch wurde sie schwanger. Als der gemeinsame Sohn Menelik I seinen Vater nach 22 Jahren besuchte, gab ihm dieser die Gesetzestafeln von Moses mit nach Äthiopien, wo sie seither mit kleinen Unterbrechungen aufbewahrt werden. Kaiser Haile Selassie ließ Anfang der 60er Jahre ein Haus dafür bauen, worin die Gesetzestafeln heute noch in einer Holztruhe aufbewahrt und von einem Mönch bewacht werden. Dieser übt sein Amt ein ganzes Leben lang aus und verlässt das Gelände Zeit seines Lebens nicht mehr. Ob es sich wirklich um die Original-Tafeln handelt, wird seit Jahrhunderten von Historikern diskutiert, aber von den Äthiopiern nie angezweifelt. Nachfragen eifriger Wissenschaftler, die gerne die Echtheit überprüfen möchten, stoßen auf Unverständnis, weil es ja in Äthiopien bezüglich der Echtheit keinerlei Zweifel gibt.

 

 

Unsere Unterkunft in Axum ist super gelegen und wirklich luxuriös. Ein Hotel wie das Hotel Yared Zema hätten wir sicherlich nicht in Äthiopien erwartet. Das Abendessen in so einem Stadthotel ist kein Highlight, rein wegen der sehr nüchternen Atmosphäre des Restaurants, aber wir haben viel zu beobachten, unter anderem eine deutsche Reisegruppe – in Axum sieht man erstaunlich viele Touristen – speist nebenan und wir bewundern eine Dame aus der Gruppe, die mit weißer Handtasche und weißer Hose nach Äthiopien verreist, da wir inzwischen doch ziemlich eingestaubt aussehen.

 

 

Am 24. Dezember haben wir einen Flugtag. Erst geht es von Axum nach Addis zurück und dann nach einem kurzen Aufenthalt, bei dem wir uns mal wieder über Wifi freuen, hinunter nach Arba Minch. Fliegen ist in Äthiopien irgendwie immer interessant, vor allem, wenn man aus etwas abgelegenen Gegenden reist und sich wie diesmal ganze Familienclans mit uns auf den Weg machen. Alles Mögliche wird in Plastiktüten und Kartons transportiert und mit den allgemeinen Fluggepflogenheiten sind auch nicht alle in der Familie vertraut. Das macht es abenteuerlich, zumal man zu jedem Flug durch zwei Sicherheitskontrollen ohne Schuhe muss. Wir haben immer noch Schnupfen…

 

 

Wir sind so gespannt, was uns im Süden erwartet.

MARTIN PARR

Martin Parr hat in München ausgestellt. Leider muss ich sagen „hat“, denn die Ausstellung endet am 28.1. und mir ist es leider auch erst heute gelungen, sie zu besuchen. Aber sie ist grandios. Im Kunstfoyer in München wurden eine Vielzahl der fast grotesk anmutenden Werke des britischen Fotografen seit Mitte Oktober der Öffentlichkeit präsentiert.

Freizeit, Konsum und Kommunikation sind die Themen mit denen sich Martin Parr hauptsächlich beschäftigt, dabei werden auch nationale Eigenheiten in den Vordergrund gestellt und uns bewusst gemacht. Scheinbar Alltägliches und „Normales“ wird uns humorvoll und unterhaltsam in seiner Besonderheit zugänglich gemacht.

Am besten hat mir die schwarz-weiß Serie „Non-Conformists“ gefallen, die erst 20 Jahre nach ihrer Entstehung einem Publikum präsentiert wurde. Über fünf Jahre hinweg dokumentierte Parr Menschen in einer englischen Kleinstadt in den 70ern.

„Knokke le Zoute“ nennt er einen Teil seiner Strandaufnahmen. Die Szenerie in verschiedenen Badeorten Europas hat es ihm als Motiv immer wieder angetan.

Sehr interessant war auch die Rubrik „Bored Couples“ in denen Zweisamkeit auf eine ganz besondere Art dargestellt wird. Die Bilder entstanden in einer Zeit, in der es noch keine Handys gab, die mehr faszinierten als das Gegenüber.

Selbstportraits, die Parr überall auf der Welt in Fotostudios aufnehmen ließ, lange bevor es Selfies gab; Eine Fotowand mit Bildern, die sich alle mit unserem Konsumverhalten befassen; Eindrücke von Mexiko, von Luxus oder „Think of England“, eine liebevolle Betrachtung der Identität Englands. Diese bunte Vielfalt spiegelt sich in der grandiosen Ausstellung „Martin Parr. Souvenir. A Photographic Journey“.